Neben Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (li.) bleibt für Klubchef David Ellensohn (re. vorne), Sabine Gretner (li.), Sigrid Pilz und Rüdiger Maresch (hinten li.) nur wenig Platz.

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Wien - Mit manchen Veränderungen leben die Wiener Grünen ganz gut. Dass jetzt auch die Roten applaudieren, wenn einer von ihnen im Gemeinderat spricht zum Beispiel. Oder dass ein Schneehaufen auf dem Radweg, über den sich ein Grün-Mandatar im zuständigen roten Stadtratsbüro beschwert, sofort beseitigt wird.

Mit anderen Dingen, die der Wechsel von Opposition zu Juniorpartner zwangsweise mit sich bringt, tun sie sich schon wesentlich schwerer. Etwa nicht ständig auf die SP loszugehen - eine Disziplin, die eine ganze Reihe von Grün-Mandataren perfektioniert hat. Schließlich war das Aufzeigen von Versäumnissen der roten Stadtregierung auch der beste Weg, sich außerhalb des Rathauses einen Namen zu machen.

Aufdecker in neuer Rolle

Nachdem man nun aber mit dem ehemaligen Lieblingsgegner gemeinsame Sache macht, müssen sich sowohl die Aufdeckerinnen Sigrid Pilz (Pflegeskandal Lainz) und Sabine Gretner (Pratervorplatz) als auch die Dauer-Zwischenrufer David Ellensohn und Rüdiger Maresch eine neue Rolle suchen. Seit Bürgermeister Michael Häupl (SP) Rot-Grün ausgerufen hat, bleibt neben Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou wenig Platz für Selbstdarstellung.

"Natürlich bekommt man als Oppositionspolitiker leichter Öffentlichkeit", sagt Klubchef David Ellensohn. "Man fordert das Beste und muss sich nicht darum kümmern, ob es auch realisiert werden kann oder ob Geld dafür vorhanden ist." In einer Regierung zu sein bedeute hingegen, das Bestmögliche umzusetzen.

"Mitzuregieren macht schon mehr Spaß"

Für Gretner und Maresch kommt erschwerend hinzu, dass Vassilakou als Planungs- und Verkehrsstadträtin nun ihre Fachbereiche übernommen hat. "Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich gerne Verkehrsstadtrat geworden wäre", sagt Maresch, "aber es ging sich eben nur ein Stadtratsposten aus." Nun habe er aber zumindest die Möglichkeit, über Vassilakou seine Ideen in der Verkehrspolitik umzusetzen. Den guten alten Oppositionszeiten trauert er nicht nach. "Früher war ich den ganzen Tag damit beschäftigt, nach Fehlern von roten Stadträten zu suchen - selbst mitzuregieren macht schon mehr Spaß." Dafür nehme er auch in Kauf, manchmal "nicht so scharf sein zu können wie ich möchte".

Auch Gretner hat sich an den neuen Umgangston gewöhnt, sagt sie. "Ich bin positiv überrascht, wie viel wir umsetzen können." Freilich hat das Aufzeigen von vermeintlichen Missständen vor der Wahl bisher nur zur Einrichtung von diversen Arbeitsgruppen geführt. Weder in Sachen "Freunderlwirtschaft im Bauwesen" (Gretner) noch beim "falschen Spiel mit dem Atomstrom" (Maresch) konnte der grüne Juniorpartner bisher seinen Einfluss geltend machen. Doch die Hoffnung, künftig mehr umsetzen zu können lebt. Zumindest war Ellensohn in Oppositionszeiten davon überzeugt: "Wer in der SPÖ Freunde hat, dem geht es gut in dieser Stadt."

Der Wandel von der notorischen Nein-Sager-Truppe zur beflissenen Regierungspartei wird auch von einigen Grünen mit einer Portion Selbstironie betrachtet. So verschickte Thomas Blimlinger, Bezirksvorsteher in Neubau, Weihnachtskarten mit dem Spruch "Die schärfsten Kritiker der Elche sind jetzt plötzlich selber welche".

Nichts geschenkt

Völlig undenkbar schien diese Transformation bei Gesundheitssprecherin Sigrid Pilz. Sie lieferte sich in der Vergangenheit heftige Schlagabtäusche mit der roten Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely, zuletzt bei der Vergabe für den Bau des Krankenhauses Nord. "Wir haben einander nichts geschenkt", sagt sie. Vergangenheitsbewältigung müsse man jetzt aber trotzdem nicht betreiben. "Wir haben trotz allem eine gute Gesprächsbasis bewahrt."

Der rot-grüne Kuschelkurs kann allerdings kaum von Dauer sein. In Verkehrs- und Geldfragen wird man sich noch oft zusammen streiten müssen. In ihrer Anfangseuphorie wollen die Grünen davon aber noch nichts wissen. "Früher dachten wir immer, die SPÖ ist ein Monolith", sagt Maresch, "jetzt kommen wir immer mehr drauf: auch dort gibt's Verharrende - und sehr viele Vorwärtstreibende." (Bettina Fernsebner-Kokert, Martina Stemmer/DER STANDARD-Printausgabe, 15./16.1.2011)