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Mohamed Ghannouchi

Foto: AP

Am Nachmittag vom Präsidenten in die Wüste geschickt - der die Regierung entließ, um seinen Sessel zu retten -, ein paar Stunden später dessen Nachfolger: Der bisherige Premier Mohamed Ghannouchi stellte sich am Freitagabend im Fernsehen den Tunesiern und Tunesierinnen als geschäftsführender Präsident vor, nachdem sich Zine El Abidine Ben Ali ins Ausland verabschiedet hatte.

Wie genau das gelaufen ist, ob das Militär führend die Fäden zog - vor dem Ben Ali jedenfalls immer Angst hatte -, war am Freitagabend noch nicht ganz klar. Ghannouchi versprach seinen Landsleuten via TV den Schutz der Verfassung - die ihm aber in den vergangenen 23 Jahren nicht so unbedingt am Herzen gelegen haben dürfte. Denn Ghannouchi war von der ersten Stunde an der Seite Ben Alis, und falls ihn etwas am Regierungsstil des Autokraten störte, so ließ er es sich nicht anmerken.

1941 in Sousse geboren, einer Küstenstadt, die Tunesien-Urlauber kennen, studierte Mohamed Ghannouchi Wirtschaft in Tunis, wobei er im Laufe des Studiums auch ein Praktikum in Frankreich absolvierte. Als Ben Ali 1987 den regierungsunfähigen Bourguiba absetzte und zweiter Präsident der tunesischen Republik wurde, war Ghannouchi Beamter im Planungsministerium, der jedoch schon damals auf dem Sprung in die Politik war.

Unter Ben Ali wurde Ghannouchi zum Planungsminister und zum Finanzminister. Auch seine späteren Ministerämter waren technokratische, wie 1992 das des Ministers für internationale Zusammenarbeit. Damit wurde er der Partner für Gespräche mit der EU und internationalen Organisationen. 1999 machte ihn Ben Ali zu seinem Premierminister.

Ohne dass man parteipolitisch Farbe bekannt hätte, war so eine Karriere in Tunesien selbstverständlich nicht möglich. Ghannouchi war Mitglied der Regimepartei RCD (Rassemblement constitutionnel démocratique) und ist seit 2008 deren Vizevorsitzender. Wie mit dem nun ebenfalls verwaisten Vorsitz umgegangen wird, war am Freitagabend die geringste Sorge, die die Tunesier hatten.

Der soignierte ältere Herr soll nun das Land gemeinsam mit einem Übergangsrat in Wahlen führen, inshallah in solche, die den Namen verdienen. Es gibt übrigens noch einen bekannten tunesischen Ghannouchi: Rachid Ghannouchi ist der bekannteste islamistische Oppositionelle, der Führer der Nahda-Bewegung, der in London im Exil lebt - noch. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 15.1.2011)