Wien - Der ÖVP-EU-Abgeordnete Othmar Karas stellt in der aktuellen Wehrpflicht-Diskussion auch die österreichische Neutralität zur Debatte. "Die Neutralität ist de facto ein sicherheitspolitisches Konstrukt des 19. Jahrhunderts und keine sicherheits- und verteidigungspolitische Antwort des 21. Jahrhunderts", sagte Karas am Sonntag. Daher müsse man "mit der Neutralitätslüge aufräumen". Österreich sollte seiner Meinung nach an einem gemeinsamen europäischen Verteidigungssystem teilnehmen. Ob die Wehrpflicht abgeschafft werden sollte oder nicht, sollte erst nach dieser Entscheidung geklärt werden.

Karas kritisiert die von der SPÖ initiierte Wehrpflichtdebatte als "oberflächlich", zu wenig aufrichtig und von der Reihenfolge her falsch. Vor einer Entscheidung über die Wehrpflicht müsse man nämlich klären, was Österreich als EU-Mitglied leisten müsse, was man finanziell leisten könne und erst dann Konsequenzen ziehen. Außerdem verweist Karas darauf, dass das von Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) gewünschte "Mischsystem" aus Berufsheer und Freiwilligenarmee schon jetzt existiere: Der Kern der Armee bestehe aus Berufssoldaten, dazu komme die Miliz, die durch den ebenfalls möglichen Zivildienst de facto aus Freiwilligen bestehe.

Karas plädiert für eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik. Er verweist darauf, dass alle EU-Staaten gemeinsam rund 200 Mrd. Euro jährlich für die Verteidigung ausgeben würden. Dies sei zwar halb so viel wie USA, dennoch erreiche man damit nur zehn bis 20 Prozent der Effizienz des amerikanischen Verteidigungssystems. "Alle Länder haben ein Problem mit den Kosten der Landesverteidigung und der personellen Ausstattung", betont Karas. Die Antwort darauf wäre aus seiner Sicht eine europäische Kooperation nach dem Vorbild des Militärabkommens zwischen Frankreich und Großbritannien. "Wir müssen eine europäische Verteidigungsunion schaffen", so Karas.

Welchen Stellenwert die Neutralität in diesem Zusammenhang noch haben könne, müsse "offen zur Diskussion gestellt werden". Die Neutralität Österreichs spiele eine "immer geringere Rolle", innerhalb der EU gebe es ohnehin keinen Neutralitätsvorbehalt mehr ("wir sind ja überall dabei") und im Übrigen erfülle Österreich seine neutralitätspolitischen Pflichten seit Jahren nicht. Neutralität bedeute auch, die militärische Landesverteidigung selbst sicherstellen zu können, so Karas: "Wir höhlen finanziell, strukturell und personell seit Jahren die Verpflichtungen aus dem Neutralitätsgesetz aus." Zuerst müsse man jedenfalls über Ziele und Aufgaben der Verteidigungspolitik sprechen und erst dann über die Struktur. (APA)