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Große Emotionen: Silvio Berlusconi, hier auf einem Archivfoto.

Foto: REUTERS/Tony Gentile/Files

Es war eine Show ganz nach Geschmack des Cavaliere. Am Sonntagabend konterte Silvio Berlusconi mit einem TV-Auftritt in seinen Sendern Rete 4 und Italia 1 die Offensive der Staatsanwälte, die ihm Sex mit einer Minderjährigen unterstellen. In seiner geschickt inszenierten Selbstdarstellung mit Fotos seiner Kinder im Hintergrund wartete der der Premier mit einem coupe de theatre auf: er pflege seit seiner Trennung ein "stabiles Verhältnis zu einer Person, die Exzesse dieser Art nie akzeptieren würde." Italienische Medien sprachen von "gekonnter Marketing-Strategie."

Auch Berlusconis engstes Gefolge zeigte sich von der Ankündigung völlig überrascht. Der Regierungschef versicherte, nie im Leben für eine Frau bezahlt zu haben. Das sei mit seiner Würde nicht vereinbar. Dann attackierte er die Staatsanwälte als "privilegierte Kaste, die sich jede Art unerhörter Übergriffen leisten kann". Hausdurchsuchungen bei den 14 Showgirls, denen er Wohnungen zur Verfügung gestellt habe, seien um sieben Uhr früh von einem Großaufgebot der Polizei durchgeführt worden. Die Staatsanwälte hätten schwerste Verstöße gegen seine Privatsphäre begangen, seine Gäste registriert und abgehört: "Deren einzige Schuld war es, Gäste des Premiers zu sein."

Oppositionsführer Pier Luigi Bersani wertete den TV-Auftritt als "peinlich und desolat". Die Lega Nord reagierte mit wachsender Nervosität. Umberto Bossi forderte Berlusconi auf, sich nicht mit den Richtern anzulegen: "Wenn er sich verfolgt fühlt, soll er Neuwahlen anpeilen." Die Anwälte des Premiers zielen nun darauf ab, das Verhör mit juristischen Schachzügen zu verzögern. Zunächst wollen sie die Zuständigkeit des Gerichts anfechten.

Am Montag wurde das 300 Seiten umfassende Dossier der Staatsanwälte dem Immunitätsausschuss der römischen Kammer zugestellt. Dessen Mitglieder dürfen es nur unter Aufsicht einsehen und keine Fotokopien anfertigen. Die Anklageschrift stellt fest, daß sich "eine erhebliche Anzahl junger Frauen in Berlusconis Villen prostituiert hat".

Sie enthält eine Menge brisanter Telefonmitschnitte und Zeugenaussagen: mutmaßliche Erzählungen der Marokkanerin Ruby über Sex mit dem 74-jährigen Regierungschef, ein Gespräch mit der Mitangeklagten Nicole Minetti, in dem Berlusconi gesteht, über Rubys Alter im Bild gewesen zu sein sowie zahlreiche Telefonprotokolle, in denen 14 Showgirls, die kostenlos in Berlusconi-eigenen Wohnungen leben, pikante Details der Feste in dessen Villa schildern. "Entweder du bist zu allem bereit oder du gehst gleich nach Hause", schildert ein Mädchen die nächtliche Atmosphäre in der Villa in Arcore. Die Tageszeitung La Stampa ortet "Endzeitstimmung" im Regierungslager und lässt einen Minister anonym über den "irreparablen internationalen Prestigeverlust Italiens" klagen. Das Turiner Tagblatt: "Jetzt herrscht in Berlusconis Gefolge reine Panik." (Gerhard Mumelter aus Rom, STANDARD-Printausgabe, 18.01.2011)