Eine Antwort eines altgedienten Offiziers auf den Protestbrief eines altgedienten "Drückebergers" (STANDARD, 13. 1.).
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Als Rudi Leo 1979 zur Stellungskommission gehen musste, war ich auf gutem Weg, General zu werden. Die Diskussion um Wehr- und Zivildienst war damals noch ziemlich aufgeheizt, es gab vorher eine Initiative zur Abschaffung des Bundesheeres und nachher eine heiße Auseinandersetzung mit der Friedensbewegung. In Leos Artikel "Zivildiener in Geiselhaft?" findet sich diese Stimmung beinahe 1:1 wieder: Die Generäle wollen unbedingt Kriegsdienst, der sich dann aber sowieso nur in den Militärkantinen abspielt. - Nein als Saufbrüder werden sie von Leo zwar nicht tituliert, wohl aber als eine Art Verschwörerclique hingestellt, die in den Kommissionen sitzt, Zivildiener mit Spott und Hohn zuschüttet etc. Und jetzt nehmen diese Herren sogar den Zivildienst in Geiselhaft, um - richtig - weiter Kriegsdienst in den Militärkantinen leisten zu können.
Während Rudi Leo Alte, Kranke und Behinderte betreute, habe ich mich gesorgt, ob sich Israelis und Syrer auf dem Golan nicht den Schädel einschlagen, Flüchtlingslager nicht massakriert, Lawinenopfer geborgen und Hochwasseropfer gerettet werden. Nach der Zivildienstzeit von Rudi Leo habe ich zwar den heiß (!) ersehnten Kriegsdienstorden nicht bekommen, aber dafür den Friedensnobelpreis für die UN-Einsätze.
Der Zivildienst ist - leider, Rudi Leo! - eine legitime Tochter der Wehrpflicht. Sie kommt aus der Verweigerung des Wehrdienstes. Bei der Scheidung in den 70erJahren gab es, wie fast bei jeder Scheidung, sicher viele hässliche Zwischenrufe, aber ich habe, offenbar im Gegensatz zu Dir, diese niemals persönlich genommen, "Soldaten sind Mörder" etc. Dann gab es noch die gut vernetzten Totalverweigerer, die meinen Wehrdienst und Deinen Zivildienst total ablehnten, und über ihre Gründe rätsele ich noch heute. Aber es fiel mir nicht im Schlafe ein, jemand dafür kollektiv zu beschuldigen. Auch nicht die Herren Generäle. Auch nicht die Herren Pressesprecher (Rudi Leo ist Pressesprecher von Grünen-Landesrat Rudi Anschober in OÖ). Warum also diese Geiselhaft für Generäle?
"Die Generäle" als Kollektiv habe ich nie erlebt, das ist in Wahrheit nur ein ödes, wiewohl vielstrapaziertes, Klischee. In den 1970er-Jahren waren die Experten in Generalsuniform zerrissen zwischen der Entscheidung Milizheer und Neutralität versus Profiheer und Bündnisanlehnung, und es war letztlich Kreisky, der das Milizheer in Stein meißeln ließ, sprich in die Verfassung hievte. Kreisky war es auch und auch sein großer "Schweiger", Minister Rösch, der die Generäle aufforderte, sich aktiv an der öffentlichen Meinungsbildung zu beteiligen (wir erinnern uns: Durchflutung aller Bereiche mit Demokratie) und nicht im Geheimen sieben Organisationspläne zu zeichnen, von denen die Politik dann den achten Entwurf nahm.
General Spannocchi war ein Symbol dieser Epoche und für jedes seiner auffindbaren hässlichen Worte gegenüber Zivildienern lade ich Rudi Leo in eine Militärkantine ein. Ich würde eine oberösterreichische vorschlagen, denn dort könnte Rudi Leo den oberösterreichischen General treffen und sich über den Kriegsdienst im Bundesheer informieren. Auch über den blanken Unsinn, dass die Herren Generäle den Zivildienst brauchen, um den Wehrdienst zu begründen. (Karl Semlitsch/DER STANDARD/Printausgabe, 18.1.2011)