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GÜNTHER HÖFLER (58) ist Panzeroffizier, war Militärdiplomat in Brüssel und wurde 2006 Streitkräftekommandant.

APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH

Standard: Bundesminister Norbert Darabos hat heute ein Modell eines Freiwilligenheeres empfohlen. Ist das Bundesheer dafür vorbereitet?

Höfler: Das kann man so nicht sagen. Erstens, weil ich das Modell erst aus den Medien erfahren habe. Zweitens muss man betonen, dass die Modellfrage allein die Probleme des Bundesheeres und der Sicherheitspolitik nicht lösen kann.

Standard: Was sind denn die Probleme des Bundesheeres?

Höfler: Ich bin da ganz beim Herrn Bundespräsidenten, der im Standard gesagt hat, dass man einen Schritt nach dem anderen setzen müsste - also erst strategische Überlegungen, dann Festlegungen, dann Schritte zur Umsetzung. Und das dann in aller Konsequenz. Genau das aber vermisse ich bei der Verteidigungspolitik.

Standard: Jetzt aber ist das Thema Wehrpflicht ganz isoliert auf dem Tapet. Eine Antwort ohne Frage?

Höfler: Ein System, das man wählt, kann ja nur die Umsetzung des Modells sein. Und da muss man die Fragen stellen, welche Rahmenbedingungen das braucht und welche Konsequenzen das hat. Wie ist die Aufbringbarkeit der Freiwilligen. Man hört, dass man 2000 junge Leute pro Jahr anwerben will - und es stimmt auch, dass sich derzeit jedes Jahr 3000 freiwillig für einen längeren Dienst melden ...

Standard: Aber die werden aus einem bestehenden Rekrutierungspool von bereits einberufenen Rekruten geniert?

Höfler: Ja, eben - zumindest die männlichen. Und weibliche gibt es nicht so viele, weil die sich eben freiwillig melden müssten, wie man es künftig von allen erwartet. Dazu kommt die Frage: Wie wird sich das entwickeln, wenn es als Konkurrenzangebot ein freiwilliges soziales Jahr gibt, wo die Leute ordentlich verdienen und ihnen ein reguläres Dienstverhältnis angeboten wird? Das wird die Rekrutierungsmöglichkeiten deutlich einschränken.

Standard: Das heißt: Das Bundesheer müsste mindestens so attraktiv sein wie ein Sozialberuf?

Höfler: Ja, zumindest. Und das fordert entsprechende Mittel. Ist man bereit, diese Mittel zur Verfügung zu stellen?

Standard: Und die Kehrseite ist: Man muss die Leute nach einiger Zeit auch wieder loswerden?

Höfler: Man wird entsprechende Laufbahnen entwickeln müssen - Zeitverpflichtungsmodelle für Offiziere und Unteroffiziere. Es kann ja nicht so sein, dass 5500 Chargen alle Einsätze machen und eine große Berufskomponente bestehen bleibt, wo Offiziere und Unteroffiziere bis 65 Dienst machen. Da veraltert das Bundesheer rapide. Dafür gibt es ja Beispiele aus anderen europäischen Ländern.

Standard: Das würde bedeuten, dass man zuerst alle Rahmenbedingungen schaffen muss?

Höfler: Ja, wirklich alle. Das ist doch das Problem des Bundesheeres, dass man immer Vorgaben gemacht hat und uns aufgetragen hat, umzusetzen, was geht. Wenn es ums Geld gegangen ist, hat die Politik aber nichts auslassen wollen. Wir haben ja auch bei der Reform ÖBH 2010 alle Hausaufgaben gemacht - aber die von der Reformkommission vorgeschlagenen gesetzlichen Änderungen sind nie ins Parlament gekommen, und die budgetäre Ausstattung haben wir auch nie erhalten.

Standard: Aber verkleinert wurde das Bundesheer schon?

Höfler: Das stimmt. Wir müssen bei einer Reform auch die Dislozierung besprechen - und wirklich Standorte auflassen. Sonst sind wir eines Tages nur noch damit beschäftigt, uns selbst zu bewachen. Und man muss endlich davon abgehen, Systemerhalter einzusetzen, wo andere Armeen Zivilbedienstete einsetzen: Ein Soldat, der Laub im Kasernenhof rechen muss, das geht nicht.

Standard: Soll man unter diesen Aspekten überhaupt eine Reform wagen?

Höfler: Sicher, das Heer braucht eine mutige Reform. Aber man muss alle Aspekte vorher bedenken. Und man muss die Rahmenbedingungen gesetzlich fixieren. (Conrad Seidl, DER STANDARD, Printausgabe, 18.1.2011)