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Als Schulversager, wie sich Ex-Libro-Chef André Maarten Rettberg selbst bezeichnet, verließ sich der gelernte Buchhandelsgehilfe auf seinen Finanzvorstand Johann Knöbl.

Foto: APA/Techt

Wiener Neustadt - "Ganz so kann es ja nicht sein, dass Sie gar nichts mitgekriegt haben, was da so vor sich ging bei Libro." Bei der Einvernahme von Andre Maarten Rettberg am Montagnachmittag wurde Richterin Birgit Borns dann doch etwas ungeduldig. Und brachte klar zum Ausdruck, dass sie dem Ex-Libro-Chef seine zur Schau gestellte Ahnungslosigkeit in Sachen Bilanzen und Wirtschaftskompetenz nicht abnimmt.

Rettberg, der sein monatliches Nettoeinkommen aus seiner Tätigkeit bei einer Immobilienverwaltung mit aktuell 1409 Euro angab, wies jede Schuld an Libro-Ausgleich (2001) und -Pleite drei Jahre nach dem Börsengang im November 1999 wie erwartet ebenso von sich wie die an die Altaktionäre der damaligen Libro-Eigentümerin UD-AG (einer Tochter des Mittelstandsfinanzierers UIAG) ausgeschütteten Sonderdividende in Höhe von damals 440 Millionen Schilling (31 Mio. Euro). Von dieser außertourlichen Gewinnausschüttung hatte als 16,1-Prozent-Libro-Aktionär auch Rettberg profitiert, was ihm von Staatsanwalt Johann Fuchs - wie den vier Mitangeklagten auch - den Vorwurf der Untreue, Bilanzfälschung und des schweren Betrugs einbrachte.

Nach dem Cash-Abfluss, im Fachjargon verbotene Einlagenrückgewähr genannt, seien die Libro-Passiva um just 440 Mio. Schilling höher gewesen, betonte der Staatsanwalt, der den im Geschäftsjahr 1998/99 ausgewiesenen Finanzgewinn von 214 Mio. Schilling als "überhöht" bezeichnete. Die Vermögenslage von Libro sei "im bewussten und gewollten Zusammenwirken verschleiert" worden. Die Buchhandelskette sei ein "aufpoliertes Auto gewesen, das aber keinen Motor gehabt" habe.

Als auf diese Hochglanzpolitur hineingefallen sieht sich auch die Telekom Austria (TA), die für ihre strategische Partnerschaft beim Verkauf von A1-Handys und Internet-Anschlüssen samt Sperrminorität (25 Prozent plus eine Aktie) an Libro umgerechnet 85,45 Mio. Euro hinblätterte. Weitere 77,56 Mio. Euro Schaden sei den Libro-Aktionären entstanden, die beim Börsengang Anteilsscheine kauften, rechnete Staatsanwalt Fuchs vor.

Rechtsberatung nicht Bewertung

Profiteure dieses Deals seien ausschließlich die Libro-Aktionäre Rettberg (13,79 Mio. Euro, Ex-Libro-Finanzvorstand Johann Knöbl (3,45 Mio. Euro), UIAG (19,21 Mio. Euro) mit ihrem Chef Kurt Stiassny (er ist Drittangeklagter) und das von der UIAG nominierte Aufsichtsratsmitglied WU-Professor Christian Nowotny gewesen. Was deren Anwälte zurückweisen. Nowotny sei nie Aktionär oder Geschäftsführer gewesen, habe keine Unternehmensbewertungen vorgenommen, sondern lediglich Rechtsberatung gemacht - auf Basis der Unternehmensdaten. Stiassny und seine Anwälte verweisen auf den Börsenprospekt, in dem die Lage des Unternehmens detailliert offengelegt worden sei. Nichts sei verschleiert worden, für die Verschwörungstheorie des Staatsanwalts gebe es keine Beweise, zudem sei der UIAG-Chef persönlich weder an UIAG noch an Libro beteiligt gewesen.

Das wird sich an den 40 Verhandlungstagen, die bis 22. Juni im Landesgericht Wiener Neustadt angesetzt sind, weisen. Das Beweisverfahren beginnt im März und verspricht Spannung. Am 2. März soll Gottwald Kranebitter als Zeuge einvernommen werden, er ist derzeit Chef der Hypo Alpe Adria. Von ihm verspricht man sich Aufschlussreiches über die - vom Staatsanwalt als viel zu hoch angeprangerte - Bewertung der Deutschland-Tochter von Libro mit 116 Mio. Schilling. Kranebitter hatte sie vor zwölf Jahren als KPMG-Wirtschaftsprüfer vorgenommen. Die als überaus vielversprechend prognostizierten Geschäfts- und Expansionsaussichten des 1999 mit 2,5 Mio. D-Mark defizitären Deutschland-Geschäfts sollten später die Sonderdividende legitimieren. Geld fehlte jedoch bereits für den Kauf des Oberösterreischen Landesverlags (Amadeus), er wurde mit einem Kredit in Höhe von 264 Mio. Schilling gekauft. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 18.01.2011)