Vorsicht, zorniger Richter! Das wird sich der eine oder andere Gefängniswärter in Belgien vor Augen halten müssen, wenn er in Zukunft Wim De Troy gegenübersteht. Der hat das Mutterland der Skurrilitäten mit einer seltenen Amtshandlung in Staunen versetzt. Schon die Zeit war ungewöhnlich. Sonntagnachmittag begehrte er in seinem Privatauto Einlass im großen Gefängnis von Saint-Gilles, mitten in Brüssel gelegen, weil er einen Drogenhändler vernehmen wollte.

Die Wachen machten deutlich, dass er persönlich Zutritt haben könne, aber nicht sein Wagen. Das sei Vorschrift, aus Sicherheitsgründen. Ein Wort ergab das andere, berichten Zeugen. De Troy regte sich so auf, dass er plötzlich die ihn begleitenden Polizisten anwies, drei Gefängnisangestellte zu verhaften - unter ihnen der Chef der Torwächter und die Direktorin der Haftanstalt. Die Polizisten taten das, die drei wurden zur Polizeistelle in Zaventem verbracht. Nun staunt das Land.

Beamten riegelten Gefängnis ab

Der Richter konnte seine Vernehmung dann zwar durchführen. Aber die Verhaftung der Direktorin hatte ihren Preis: De Troy saß selber fest. In Alarm versetzt, ohne Führung, hatten die Beamten das Gefängnis von Saint-Gilles umgehend geschlossen und hermetisch abgeriegelt. Erst Stunden später, nach langen Verhandlungen zwischen Richter und Gefängnischefin, kehrte Normalität ein.

De Troy ist berühmt-berüchtigt als überenergischer Richter. Vor einem Jahr hat er im Zuge seiner Recherchen zu Kindesmissbrauch durch Priester den Amtssitz von Kardinal Daneels durchsuchen und Dokumente beschlagnahmen lassen. Die Pointe: Das geschah bei laufender Bischofskonferenz, der Kardinal wurde festgehalten. Sogar der Papst protestierte. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD-Printausgabe, 18.1.2011)