Hochwasser im August 2005 in Kappl-Nederle im Paznauntal.

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Astronauten der NASA machten dieses Bild am 13. Jänner dieses Jahres, darauf sind der Brisbane River und das überschwemmte Gebiet rund um und in Brisbane zu sehen.

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Günter Blöschl ist Leiter der Abteilung Ingenieurhydrologie an der TU Wien und beschäftigt sich mit Hochwassermanagement.

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Im Zentrum des australischen Hochwassers hätte eine exakte Prognose auch nichts mehr geholfen, sagt Hochwasserforscher Günter Blöschl von der Technischen Universität (TU) Wien. Zu groß waren die Wassermassen. Brasilien und Pakistan sind zwei weitere Beispiele aus dem vergangenen Jahr: Die Ursachen für die Häufungen von Überschwemmungen ist noch nicht erforscht. Es muss nicht nur an der Beeinflussung der Umwelt durch den Menschen liegen, denn oft häufen sich Überschwemmungen in Dekaden: Das könne auch seit 4000 Jahren am Nil beobachtet werden, berichtet der Wissenschafter im Interview mit derStandard.at.

derStandard.at: Eine Einschätzung vom anderen Ende der Welt: Wie konnte es in Brisbane und Umgebung zu den massivsten Überschwemmungen in Australien seit Jahrzehnten kommen?

Günter Blöschl: Das australische Frühjahr war sehr nass. Die Niederschlagsmengen waren der Auslöser, aber in Kombination mit dem Vorregen. Der Boden konnte das Wasser nicht mehr aufnehmen.

derStandard.at: Wie beurteilen sie das Hochwassermanagement der australischen Behörden?

Blöschl: Im Grundsatz gilt: Wenn das Hochwasser einen bestimmten Pegel erreicht, kann man kaum noch etwas machen. Aber im "Feintuning" wären schon Verbesserungen möglich gewesen. Der Schutz der lokalen Bevölkerung wäre sicher zu optimieren.

Vorhersagen über großräumige Überschwemmungen helfen zwar immer, aber eher in den Randbereichen. Im Fall von Australien: Im Zentrum des Hochwasser, wo die größten Schäden waren, hätte weder eine Vorhersage, noch ein Schutz der Häuser geholfen.

derStandard.at: Gibt es mehr und gravierendere Hochwasser? Im vergangenen Jahr kamen aus der ganzen Welt dramatische Berichte und Fotos. Oder hängt unsere Wahrnehmung mit der verstärkten Medienberichterstattung zusammen und es gab immer wieder Zeiträume mit großen Überschwemmungen?

Blöschl: Diese Frage wird mir natürlich jede Woche dreimal gestellt. Sie ist nicht einfach zu beantworten. Es ist so, dass wir in manchen Regionen schon signifikant stärkere Hochwasser gemessen haben. Das ist eine Tatsache.

derStandard.at: Hängt das vielleicht mit einer anthropogen beeinflussten Klimaveränderung zusammen? Oder mit der Siedlungstätigkeit der Menschen, die immer öfter am Wasser leben?

Blöschl: Global kann man keine Antwort geben. Aber oft sind mehrere Komponenten beteiligt. Die TU hat unlängst eine Studie über Überschwemmungen in Afrika durchgeführt, die in den vergangenen Jahren viele Menschenleben gekostet haben. Wir haben nachweisen können, dass die Ursache die Siedlungstätigkeit war und nicht das Hochwasser. Es wohnen einfach viel mehr Leute am Wasser als vor hundert Jahren. Das ist aber nur ein Beispiel, bei dem man es relativ klar sagen kann.

In Österreich, wo wir die Situation noch besser erforscht haben, kann man ganz klar einen Trend beobachten: Wir hatten in den vergangen zehn Jahren eine Häufung von Hochwässern. Allerdings muss man auch sagen, dass eine Häufung von Hochwässern in Dekaden durchaus öfter auftritt.

derStandard.at: Können Sie ein Beispiel nennen?

Blöschl: Beim Nil gibt es zum Beispiel seit 4000 Jahren Aufzeichnungen zu Überschwemmungen. Wenn man nachforscht, wann die großen Wasserstände waren, entdeckt man Dekaden, in denen es mehr Überschwemmungen gab. Wir verstehen noch nicht genau, warum das so ist. Aber dieses Phänomen ist überall auf der Welt klar nachgewiesen.

Man könnte das auf zweierlei Weise interpretieren: Es hängt mit dem Klimawandel zusammen – man muss diese Interpretationen aber nicht bemühen. Denn in den letzten zehn Jahren des 19. Jahrhunderts gab es fünf der sechs größten Donauhochwässer in jenem Jahrhundert. Diese Häufung hängt sicher nicht mit dem anthropogenen Klimawandel zusammen.

Wie ein Detektiv Belege sammelt und dadurch den Täter überführt, so sammeln auch wir in der Hydrologie Belege. Die Spuren sind aber nicht immer eindeutig: Der Tatverdächtige kann nicht immer überführt werden.

derStandard.at: Wie sieht die Situation in Österreich aus: Welche Gebiete sind mehr von Hochwasser gefährdet/betroffen und wieso?

Blöschl: Die großräumigen Hochwässer betreffen vor allem Gemeinde, die direkt am Wasser liegen, wie an der Donau, an den großen Zubringern wie Salzach, Enns und Kamp. Auch die Steyr ist oft betroffen, da das Niveau der Stadt relativ niedrig ist im Vergleich zum Fluss.

Die lokalen, von Gewittern ausgelösten Hochwasser betreffen nicht nur Orte an Flüssen, sondern es kann eben auch Ottakring und Neubau – wie letzten Sommer – treffen. Wobei es Gegenden gibt, die mehr gefährdet sind: Ost- und Südostösterreich besonders. Die Buckelige Welt, Südburgenland, die östliche Steiermark und teilweise das Marchfeld sind von dieser Art am stärksten betroffen. Durch die hügelige Landschaft kann es einfacher zu Instabilitäten der Atmosphäre und folglich zu Gewittern kommen.

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derStandard.at: Welche Formen des Hochwassermanagements gibt es und welche kommen in Österreich zur Anwendung?

Blöschl: In Österreich gibt es Katastrophenpläne, der jeweilige Landeshauptmann ist für die Umsetzung zuständig. Der traditionelle Hochwasserschutz, wie zum Beispiel Dämme, ist nur eine Facette vom ganzen Paket. Denn wenn man einen Damm baut, geht das nur bis zu einer gewissen Höhe des Wassers gut, danach ist es schlimmer, als ohne Damm. Wichtig ist vor allem, Rückzugsräume zu schaffen. Das Marchfeld war zum Beispiel vor tausend Jahren Überschwemmungsgebiet. Das ist heute nicht mehr möglich, da die flachen Gebiete genutzt werden. Dieser Rückhalteraum der Hochwässer ist in Österreich verloren gegangen, kann aber wieder künstlich geschaffen werden, indem man Überflutungsbecken schafft.

derStandard.at: Welche Größenordnung müssen solche Becken haben, um Wirkung zu zeigen?

Man braucht allerdings sehr große Flächen, damit das etwas bringt. Die Hochwasserflächen, die im Rhein in den vergangenen Jahren gebaut wurden sind einige Quadratkilometer weit, aber der Wasserstand wird nur um einige Zentimeter reduziert. Diese Maßnahme ist dadurch auch teuer.

Dann ist die Frage, ob Hochwasser durch Aufforstung reduziert werden kann, etwa wenn man Hänge dadurch stabilisiert. Die Größe der Hochwasser kann man dadurch insgesamt nur gering reduzieren. Die Frühwarnung, um die Leute rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, ist eine ganz wichtige Komponente des integrierten Hochwassermanagements.

derStandard.at: Mit welchen technischen Mitteln arbeitet die Hochwasserprognose?

Blöschl: Ein Computerprogramm wird mit aktuellen Daten zu Niederschlag und Wasserstand versorgt, aber auch mit Prognoseberechnungen von meteorologischen Modellen. Diese Informationen werden mit anderen Informationen wie Bodenfeuchte, Schnee oder Regen kombiniert. Dadurch wird berechnet, wie hoch der Wasserstand in den nächsten Stunden oder Tagen sein wird.

derStandard.at: Wie zuverlässig sind die daraus gewonnenen Prognosen?

Blöschl: Das hängt sehr stark von der Zeitspanne ab. Für die nächsten Stunden sind sie bereits sehr genau, je länger die Zeitspanne, umso unsicherer.

derStandard.at: Welche Faktoren führen zu Hochwasser, wie unterscheidet das Hochwassermanagement?

Blöschl: Es gibt verschiedene Typen. Zum einen gibt es Hochwasser durch kurze, heftige Gewitter, wie zum Beispiel im vergangenen Sommer in Ottakring und Neubau. Da hat es in einer sehr kurzen Zeit mit einer sehr hohen Niederschlagsintensität geregnet.

Weiters gibt es Hochwasser durch großräumige Überregnungen, wie zum Beispiel in Österreich im Jahr 2002, als es in halb Österreich, Tschechien und Süddeutschland Überschwemmungen gab. Das Speichervermögen des Bodens ist irgendwann erschöpft.

Eine weitere Variante ist das, was wir in den vergangenen Tagen in Österreich und Bayern hatten: Es gibt bereits eine Schneedecke und es regnet in die Schneedecke hinein. Der Mechanismus ist weniger, dass das Schmelzwasser zum Hochwasser beiträgt, sondern dass durch die sogenannte Vorbefeuchtung der Boden nicht mehr infiltriert werden kann. (Julia Schilly, derStandard.at, 19. Jönner 2011)

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