Mayrhofen - Der Austritt der Wirtschaftskammer aus der Österreich Werbung (ÖW) und die dadurch ausgelöste Verunsicherung über die Zukunft von Österreichs wichtigstem Marketingverein könnte für die Sozialpartnerorganisation nun selbst unangenehme Folgen haben. Nicht wenige Hoteliers überlegen, in einem Akt zivilen Ungehorsams die Pflichtmitgliedsbeiträge statt an die Kammer auf ein Treuhandkonto zu überweisen. Die Österreichische Hoteliervereinigung (ÖHV), Interessenvertretung der Vier- und Fünf-Sterne-Hotellerie, will diesen Weg rechtlich prüfen lassen.

"Wir wollen wissen, was mit unserem Geld geschieht, wenn sich die Wirtschaftskammer aus der ÖW zurückzieht und damit ein Loch von acht Mio. Euro im Marketingbudget der ÖW verursacht", sagte ÖHV-Präsident Sepp Schellhorn am Dienstag beim Jahreskongress der Hoteliers in Mayrhofen, Tirol.

Pro Hotelbetrieb sind es durchschnittlich knapp 6000 Euro, die der Wirtschaftskammer in Form der Kammerumlage eins und zwei jährlich zufließen. In Summe dürften alle touristischen Betriebe, die Mitglieder der Wirtschaftskammer sind, dieser mindestens 40 Mio. Euro überweisen. "Alles ist total intransparent. Was mit dem Geld im Einzelnen passiert, wissen wir nicht", sagte ÖHV-Kopräsident Peter Peer.

Die Hoteliers sind freilich nicht die Einzigen, die sich an der Zwangsmitgliedschaft stoßen. Eine Gruppe österreichischer Industrieller hat ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof angestrengt. Eine Entscheidung steht noch aus, Experten schätzen die Erfolgsaussichten gering ein.

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) gab vor den gut 500 versammelten Hoteliers eine Garantieerklärung ab, einen eventuellen Ausfall von Kammergeld zu kompensieren. Er verwies auf die Exportförderungsinitiative "Go international", die vom Bund heuer mit 18 Mio. Euro dotiert wird. "Go international kann man auch umwidmen, wenn Gespräche mit der Kammer keine Lösung bringen. Das ÖW-Budget und der Exportfördertopf sind kommunizierende Gefäße," sagte Mitterlehner, der vor seiner Ministerschaft selbst Kammerfunktionär war.

Die Geduld des Wirtschaftsministers ist jedenfalls enden wollend. "Das muss schnell gehen, in der nächsten oder übernächsten Woche muss eine Lösung gefunden werden", sagte Mitterlehner.

Die ÖW (Jahresbudget: rund 50 Mio. Euro) gehört zu 75 Prozent dem Bund, 25 Prozent hielt bisher die Wirtschaftskammer. Ende Dezember hat diese ihren Austritt per 1. Jänner 2012 schriftlich deponiert. Im Hintergrund tobt ein Streit um Geld, Macht und Zuständigkeiten.

"Das ist so unnötig wie ein Kropf. Uns brennen andere Dinge unter den Nägeln", sagte ein Hotelier, der namentlich nicht genannt werden wollte, dem Standard. Die Betriebe seien mit steigenden Belastungen konfrontiert, mehr statt weniger Werbung sei notwendig, um Verluste von Marktanteilen hintanzuhalten. (Günther Strobl, DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2011)