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Silvio Berlusconi am Dienstag in Rom: Seit Zeugen und Beteiligte den Staatsanwälten das ausschweifende Privatleben des Regierungschefs beschrieben, spielt es Granada in Italien

Foto: AP/dapd/Alberto Pellaschiar

Den Staatsanwälten, die gegen ihn wegen Prostitution Minderjähriger und Amtsmissbrauch ermitteln, hat Silvio Berlusconi den Krieg erklärt. Doch die Welle schlüpfriger Peinlichkeiten, die am Montag an die Öffentlichkeit gelangte, lässt den Premier schon vor Prozessbeginn als deutlichen Verlierer erscheinen.

Auf 389 Seiten haben die Staatsanwälte eine Unmenge Belastungsmaterial gesammelt, das ihren zentralen Vorwurf untermauern soll: "Zahlreiche junge Frauen haben sich in Berlusconis Villen für Geld, wertvolle Geschenke und Wohnungen prostituiert."

Am Montag stellten sie das Dossier dem Immunitätsausschuss der Kammer zu, um eine Hausdurchsuchung bei Berlusconis privatem Buchhalter durchzusetzen, der den "entsprechenden Zahlungsverkehr" abgewickelt habe. Die bereits begonnene Hausdurchsuchung in Mailand war von den Anwälten des Premiers mit der Begründung untersagt worden, es handle sich um ein "Regierungsbüro".

Seitenweise zitierten Italiens Zeitungen am Dienstag aus den brisanten Telefonmitschnitten und Zeugenaussagen der Anklageschrift. "Entweder du bist zu allem bereit oder nimmst sofort ein Taxi und fährst wieder heim", schildert ein Mädchen die seichte Atmosphäre der Feste in Arcore."Unvorstellbar, was dort abgeht, ein regelrechter Puff", beschreibt eine andere das Geschehen.

Die junge Marokkanerin Ruby erzählt am Telefon, von Berlusconi ein hohes Schweigegeld gefordert zu haben. "Er sagte: Du bekommst alles, was du willst , aber du musst leugnen." In einem Gesprach mit einer Freundin gesteht Ruby, bereits mit 16 bei Berlusconi gewesen zu sein. Am Handy schört der Cavaliere seine Mitangeklagte Nicole Minetti darauf ein, "niemandem zu erzählen, daß ich Minderjährige treffe".

Polizeichef schildert Orgie

Einige der Zeugen sind absolut unverdächtig. So schildert der Polizeichef von Neapel einem Freund telefonisch den Verlauf eines Festes: "Eine Orgie. Berlusconi hat gesungen, die Frauen haben sich ausgezogen." Eines der geladenen Mädchen fühlte sich missbraucht: "Ich habe mich widersetzt, aber Berlusconi hat mich bedrängt. Ich musste erdulden, was ich nicht wollte."

In zahlreichen Gesprächen unterhalten sich die weiblichen Gäste über die erhaltenen Gegenleistungen : "Ich habe 5000 Euro bekommen, andere 7000. Mit dem goldenen Armband bin ich zufrieden, obwohl der Diamant nur klein ist." Am Ende des Abend habe der Premier persönlich entschieden, welche Frauen bei ihm übernachten dürfen.

Bischofskonferenz empört

Berlusconi kritisierte die Anklageschrift als "infamen Versuch öffentlicher Lynchjustiz", die Regierungspartei erwägt Neuwahlen als Gegenoffensive. Am Dienstag wuchs der Druck auf Berlusconi, sich der Vorladung durch die Staatsanwälte zu stellen. Das katholische Lager reagierte empört. Die der Bischofskonferenz nahestehende Tageszeitung Avvenire: "Allein der Gedanke, der Regierungschef könne in die Prostitution Minderjähriger verwickelt sein, ist schockierend".

Staatspräsident Giorgio Napolitano forderte angesichts der "verstörten Öffentlichkeit" eine rasche Klärung der Vorwürfe. Auf die erhoffte Zusammenarbeit mit den Christdemokraten wird der angeschlagene Premier nach der neuen Affäre verzichten müssen. Doch einen Rücktritt lehnt der Regierungschef trotz seiner kritischen Lage kategorisch ab. Der Corriere della Sera befürchtet nun eine Lähmung Italiens: "Unser Land wird zur Karikatur der westlichen Welt". La Repubblica forderte den Premier zum Rücktritt auf: "Italien kann nicht weiter von einem alternden Satrapen regiert werden."