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Gleiche Versorgung für alle Mütter und Kinder? Stadträtin Sonja Wehsely (SP) ist überzeugt, dass das in Wien funktioniert. ÄrztInnen sehen die Situation deutlich kritischer.

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Wien - "In meiner ersten Schwangerschaft habe ich mich gegen zusätzliche Untersuchungen entschieden", erzählt Karin T. Nun ist die Wienerin erneut schwanger und überlegt, ob sie nicht doch ein Organscreening durchführen lassen soll: "Mein Mann und ich sind mittlerweile Mitte 30."

Werdende Mütter wie die 36-Jährige haben für den Mutter-Kind-Pass neun Untersuchungen zu absolvieren; darüberhinaus gibt es eine Reihe von Spezial-Diagnosemöglichkeiten, die oft selbst bezahlt werden müssen. "Eine absolute Zwei-Klassen-Medizin", ortet daher Michael Stany, stellvertretender Fachgruppen-Obmann der Gynäkologen. Pränatale Diagnostik sei eine „heikle Sache", seit ÄrztInnen haftbar gemacht werden können, wenn sie in der Schwangerschaft eine Behinderung übersehen; das erste OGH-Urteil wurde 1999 gefällt. Die Wiener Spitäler "ziehen sich seither aus der Diagnostik zurück", befindet Stany. Ganze gynäkologische Abteilungen würden "praktisch auswaggoniert", teure private Institute dadurch boomen.

Unter dem Schlagwort "Kinder als Schaden" hat sich in den vergangenen Wochen eine aufgeregte Diskussion um eine Gesetzesnovelle von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner entsponnen, die die Ärzte aus der Haftung entlassen will. Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SP) ist dezidiert dagegen und findet es außerdem "konstruiert, von einem Kind als Schaden zu sprechen".

Auch den Vorwurf der Zwei-Klassen-Medizin kann die Stadträtin nicht nachvollziehen: Wer die Geburt seines Kindes in einem Spital des Krankenanstaltenverbundes anmelde, werde dort auch betreut. Bei einer ganz normalen Schwangerschaft sollten werdende Mütter von niedergelassenen Ärzten betreut werden, das AKH käme ins Spiel, wenn Risiko- oder Mehrlingsgeburten anstünden. "Das ist keine Einschränkung der Leistung, sondern eine sinnvolle Bündelung, um beste Qualität zu bringen."

Kostspielige Sicherheit

In Wien führen das AKH, die Semmelweisklinik und das SMZ-Ost sämtliche pränatale Untersuchungen durch. Frauen, die dort zur Entbindung angemeldet sind, wird etwa für die Nackenfaltenmessung nichts verrechnet. Auch Fruchtwasseruntersuchungen, die medizinisch indiziert sind, etwa bei erhöhtem Risiko für Down-Syndrom oder wenn die Schwangere über 35 ist, müssen die Patientinnen nicht extra bezahlen. Wer allerdings auf Nummer sicher gehen möchte, muss Geld in die Hand nehmen.

Organscreening oder Fruchtwasseruntersuchungen werden ohne erhöhtes Risiko nur in privaten Instituten durchgeführt. Und da kann eine Fruchtwasseruntersuchung schon bis zu 600 Euro kosten, ein Organscreening bis zu 250 Euro. Im Krankenhaus Göttlicher Heiland, das zur Vinzenzgruppe gehört, werden Organscreenings gar nicht mehr durchgeführt. "Die Untersuchungen sind immer anspruchvoller geworden", sagt der Gynäkologe Stefan Zawodsky. Patientinnen werden in eines der privaten Diagnose-Institute überwiesen, wenn es Hinweise auf Fehlbildungen gibt. "Die Patientinnen müssen 237 Euro für die Untersuchung zahlen, die sie von der Krankenkasse rückerstattet bekommen", sagt Zawodsky.

Sie habe in ihrem Bekanntenkreis schon erlebt, dass bei Untersuchungen fälschlicherweise eine Zyste auf dem Kopf des Babys diagnostiziert wurde, erzählt Karin T. Viele Frauen würden ihrer Ansicht nach auch von ihren Gynäkologen unnötig in Panik versetzt. "Zum Glück habe ich eine gelassene Frauenärztin." (Bettina Fernsebner-Kokert, Andrea Heigl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.1.2011)