In Juristenkreisen herrscht Uneinigkeit darüber, ob es "den Grasser erwischen wird" - also ob es für eine Anklage (und Verurteilung) reicht. Ohne über genaue Kenntnis des Wissensstandes der Staatsanwaltschaft zu verfügen, kann aber vermutet werden, dass sehr viel davon abhängen wird, was über die Grasser zugerechneten Konten in der Karibik herauskommen wird. Hier läuft ein Rechtshilfebegehren, die Unterlagen sind noch nicht da. Außerdem dürften schwer verfolgbare Barabhebungen von einem Liechtenstein-Konto eine Rolle spielen.

Die Justiz führt gegen Grasser Untersuchungen wegen :

Untreue (Bevorzugung von Lehman Brothers bei der Buwog-Privatisierung);

Amtsmissbrauch, Geheimnisverrat und Bieterbegünstigung durch illegale Absprachen (Buwog-Privatisierung);

falsche Beweisaussage (in einem Prozess gegen einen ehemaligen Mitarbeiter, der ihn belastet);

Abgabenhinterziehung (Honorare aus der Meinl-Episode in Liechtenstein-Stiftung).

Im Raum stehen noch Mitschneiden bei der Kapitalerhöhung der Hypo Alpe Adria und Provisionsflüsse bei der Privatisierung der Telekom.

Nicht schlecht für einen Mann, der gute Chancen auf den Kanzler gehabt hätte. Inzwischen lacht (oder schäumt) die halbe Republik über die lustigen Streiche von Grasser und seiner Freunderl-Gang. Selten ist Unverfrorenheit und Gier so dummdreist an den Tag getreten. Die vom Falter-Aufdecker Florian Klenk publizierten Auszüge aus den Abhörprotokollen von Grasser, Meischberger und Plech wurden dieser Tage in genialer Weise von den Satirikern Robert Palfrader, Florian Scheuba und Thomas Maurer mit verteilten Rollen vor einem knallvollen Audimax in Wien gelesen. Der Verfassungsjurist Heinz Mayer hatte die drei als "Gastprofessoren" zu einer "Vorlesung" geladen, um "den Studenten einen Blick auf die Realität zu ermöglichen". Es gibt noch mutige Universitätslehrer in diesem Land.

Eine gewaltige Transformation: Vor ein paar Jahren noch war Karl-Heinz Grasser der absolute Jungstar. Seine Umfragewerte waren himmelhoch, bei Rotariertreffen und/oder bürgerlichen Einladungen wurde man fast gelyncht, wenn man seine fachliche und moralische Eignung bezweifelte, Wolfgang Schüssel wollte ihn noch 2007 zum Kanzlerkandidaten der ÖVP machen.

Heute ist Grasser eine lächerliche Figur. Seine fachlichen "Errungenschaften" wie das fragwürdige Nulldefizit oder die "beste Steuerreform seit dem Neolithikum" sind von Experten längst zerpflückt. Seine Privatisierungen stehen unter massivem Korruptionsverdacht. Zwar halten noch die Krone und Österreich so halb zu ihm, aber seine Unschuldsauftritte sind nur noch Kult bei allen halbwegs wachen Bürgern. Tausende Anleger eines Meinl-Fonds dürfen sich über ihre schweren Verluste und seine drei Millionen Euro "Management-Fee" freuen.

Irgendwann geht auch der dummdreisteste Schmäh nicht mehr hinein. Die Macht der Lächerlichkeit hat gewirkt. Jetzt liegt es an der Justiz, die unter scharfer Beobachtung steht, das letzte Kapitel zu schreiben. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2011)