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Viktor Orbán in der EU unter Beschuss.

Foto: Reuters/Bernadett Szabo


Bis wann sollte die EU-Kommission ihre angekündigte Stellungnahme zum umstrittenen ungarischen Mediengesetz abschließen? "Je schneller desto besser, so rasch als möglich", "am besten morgen", bzw. "spätestens bis zum Februar" - so lauteten am Dienstag im Europäischen Parlament in Straßburg die Kommentare von EU-Abgeordneten, wenn man sie zur derzeitigen "Skandalcausa" Nummer eins in der Union ansprach.

Zumindest in diesem Punkt war man sich zwischen den Fraktionen im Lager der Österreicher einig, egal ob man nun Ernst Strasser (ÖVP), Hannes Swoboda (SPÖ), Ulrike Lunacek (Grüne) oder Othmar Karas (ÖVP) fragte: Die ganze Sache belaste den mit Jahresanfang gestarteten EU-Vorsitz durch Ungarn. Es wäre für alle Beteiligten in Zeiten der Eurokrise mehr als wünschenswert, wenn man die leidige Angelegenheit bald erledigen könnte.

Wie man das Vorgehen der Regierung des Nationalkonservativen Viktor Orbán politisch einschätzen soll, darüber gehen die Meinungen im EU-Parlament aber weit auseinander. Nicht nur unter den Parlamentariern aus Österreich, sondern aus ganz Europa.

Orbán scheint zunächst eines "gelungen" zu sein, ob er das so beabsichtigte oder nicht: Der derzeitige EU-Ratspräsident hat die politischen Lager in Europa gespalten wie kaum jemand zuvor. In der Volksvertretung in Straßburg lässt sich das gut beobachten.

Da gehen die Wogen hoch. Auf der einen Seite steht die größte Fraktion, jene von Europas Volkspartei aus Konservativen und Christdemokraten, die ihren Parteifreund Orbán verteidigt und mit Verve "gegen jede Vorverurteilung" auftritt, wie Ernst Strasser erklärt.

Auf der anderen Seite stehen die Sozialdemokraten, die Grünen und die Liberalen, die in den Mediengesetzen einen unzulässigen Angriff auf Meinungs- und Pressefreiheit "nach dem Vorbild einer Diktatur", einen Verstoß gegen europäische Werte und die EU-Grundrechtscharta konstatieren.

Dazwischen bleibt wenig Platz für Differenzierungen. Sehr wenige leisten sich den Luxus der freien Meinung, im Zweifel auch gegen die eigene Parteilinie aufzutreten, wie Othmar Karas (VP). Er findet den ganzen Zauber "unerträglich", weil es nur dazu führe, dass man über die wirklich wichtigen Dinge in Europa nicht redet. Damit dürfte er recht behalten, wie sich schon heute, Mittwoch, zeigen wird: Da muss der ungarische Regierungschef im Plenum des Parlaments sein Arbeitsprogramm für die nächsten sechs Monate präsentieren und sich einer offenen Debatte stellen. Nach Stand der Dinge wird es vor allem um Ungarns Führung gehen.

Das sieht offenbar auch Kommissionschef José Manuel Barroso als Gefahr. Er zeigte sich im Plenum am Dienstag "beunruhigt", will einen Brief schreiben an die ungarische Regierung. Barroso machte den Abgeordneten auch klar, dass die Sache nicht so einfach zu lösen sei, man müsse sorgfältig prüfen. Seine Kollegin Neelie Kroes, für die digitale Agenda zuständig, hatte zuvor in einem Ausschuss angedeutet, dass gewisse Einschränkungen im Mediengesetz (Sperre von Videoblogs) gegen EU-Recht verstoßen könnten - vielleicht.

Aber das ist nur ein Nebenschauplatz. Das Hauptproblem ist: Medienangelegenheiten sind nach EU-Recht ausdrücklich nationale Angelegenheit, Teil der Subsidiarität, wie das heißt. Der Kommission fehlt die klare rechtliche Handhabe. (Thomas Mayer aus Straßburg/DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2011)