Wien - Mit einer wissenschaftlichen Fachtagung in Wien  soll der Prozess um die Rehabilitierung der Opfer des Austrofaschismus wieder in Gang gebracht werden. Bereits im Februar 2010 hatten 97 Historiker, Politologen und Sozialwissenschafter einen Offenen Brief formuliert und darin die überfällige Rehabilitierung der nicht-nationalsozialistischen Opfer des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes gefordert, das zwischen 1933 und 1938 in Österreich die Macht innehatte.

Die Reaktion der politischen Entscheidungsträger auf den Brief sei zwar verhalten positiv ausgefallen. Konkrete Gesetzesinitiativen ließen jedoch leider auf sich warten, so Florian Wenninger vom Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien. Deshalb setze man nun einen weiteren Impuls der Wissenschaft.

Ziel: Historikerkommission und Forschungsprojekte

Der Brief der Wissenschafter hatte im Vorjahr zwar den Anstoß für eine neue Debatte um die Aufarbeitung des Ständestaats gegeben. Die Regierungsparteien einigten sich jedoch lediglich darauf, reden zu wollen und mahnten weitere Forschungen ein. "Ziel unsererseits wäre die Einsetzung einer Historikerkommission und die Ausschreibung von Forschungsprojekten", unterstreicht Wenninger: "Denn in der Tat ist es so, dass viele wesentliche Bereiche im Dunkeln liegen." Das betreffe etwa die Dimension der Repression. Allerdings dürften diese Forschungslücken nicht als Argument für ein Verschieben der Rehabilitierung dienen: "Auch die wissenschaftliche Erforschung kann nicht eine politische Bewertung der Epoche ersetzen."

10.000 Opfer

Zu den Opfern dieser Zeit zählen die Historiker nicht nur die Toten und Verwundeten der Februarkämpfe 1934, sondern auch die in Prozessen gegen Funktionäre der Opposition von Standgerichten und ordentlichen Gerichten Verurteilten sowie Personen, die von der Verwaltung drangalisiert, ausgebürgert oder aus dem Staatsdienst entfernt wurden. Ihre Zahl ist eine noch offene Forschungsfrage, laut Wenninger ist von einer Personengruppe von rund 10.000 auszugehen.

Derzeit gibt es die paradoxe Situation, dass "der Austrofaschismus in der ausländischen Forschung deutlich mehr Beachtung findet als in Österreich", so Wenninger. Dies sei sowohl der Ausstattung mit finanziellen Mitteln als auch ideologischen Schranken geschuldet, zumal sich im Gegensatz zum Nationalsozialismus beim Austrofaschismus nicht alle Parteien als klare Gegner deklarieren könnten: "Ressourcen und Grundhaltungen liegen oft eng beieinander."

Workshop, Symposion und Podiumsdiskussion

Hier Licht ins Dunkel bringen soll nun die Tagung "Österreich 1933-1938" (siehe Download) vom 20. bis 26. Jänner, die allen Interessierten offen steht. Den Auftakt macht am Donnerstag, den 20.1.  ein zweitägiger Workshop im Alten AKH unter dem Titel "Die Forschungsgräben schließen? Zu Stand und Desideraten der Erforschung des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes". Am 24. Jänner folgt ein dreitägiges Symposion im Juridicum, das Aspekte wie die Verfassung, die Justiz oder die Verfolgung der politischen Opposition analysiert. Als Referenten fungieren hier Persönlichkeiten wie Emmerich Talos oder Wolfgang Maderthaner.

Interessante Ergebnisse verspricht eine Podiumsdiskussion am 24. Jänner unter Leitung von Oliver Rathkolb, Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte. An dieser beteiligen sich Verwaltungsgerichtshofpräsident Clemens Jabloner, Brigitte Bailer-Galanda vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Wilhelm Brauneder (Ex-FP-Nationalratspräsident) vom Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte sowie Helmut Wohnout vom "Karl von Vogelsang Institut" der ÖVP. Über die Ergebnisse der Tagung sind zwei Publikationen geplant. (APA)