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"Censored"

Foto: REUTERS/Vincent Kessler

Straßburg - Der wegen seiner Medienpolitik international kritisierte ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat sich bei seinem Auftritt im EU-Parlament in Straßburg kämpferisch gegeben. Er rief die Europaabgeordneten am Mittwoch in Straßburg dazu auf, ihre Kritik an innenpolitischen Zuständen nicht mit dem amtierenden EU-Ratsvorsitz, den Ungarn in dieser Jahreshälfte innehat, zu verwechseln. "Wenn Sie diese Themen miteinander vermengen, dann bin ich zum Kampf bereit."

"Dann wird nicht Ungarn, sondern die Europäische Union darunter leiden", führte Orban weiter aus. "Auch in Ungarn haben wir einen gesunden Menschenverstand." Orban versicherte, die ungarische Regierung werde das Mediengesetz gegebenenfalls ändern. "Wenn es nachweisliche Mängel gibt, sind wir bereit, das zu reparieren. Das sind für uns keine Prestigefragen. Wir sind nicht eitel." Ungarn setze sich für Pressefreiheit ein, und habe dies in Vergangenheit immer unter Beweis gestellt.

"Barroso: Pressefreiheit ist ein heiliges Prinzip in der EU"

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso betonte vor dem EU-Parlament erneut, dass "Pressefreiheit ein heiliges Prinzip in der EU sei". Die EU-Kommission werde noch in dieser Woche einen Brief an Budapest zu dem Mediengesetz schreiben, mit der Bitte um Klärung "in gewissen problematischen Bereichen, die zu Sorgen geführt haben". Die EU-Kommission werde dann die Antwort Ungarns prüfen. Barroso appellierte an Orban, abgesehen von juristischen Gesichtspunkten auch politische Aspekte der Kontroverse zu sehen. Er hoffe, dass Orban das berücksichtigen werde.

Orban erinnerte zuvor an den ungarischen Aufstand gegen den Kommunismus im Jahr 1956. "Wir haben den ersten Stein aus der Mauer des Kommunismus geschlagen, dann ist die Mauer zusammengebrochen." In diesem Geist wolle Ungarn nunmehr Europa führen. "Wir sind und waren immer an einem vereinten Europa interessiert." Die EU stehe vor dem schwierigsten Jahr in den vergangenen 20 Jahren, sagte er. Nicht andere Kontinente, fremde Ideologien würden Europa heute bedrohen, sondern die Verschuldung. Die Verschuldung könne nur gelöst werden, indem man Arbeit schafft.

Der Chef der sozialdemokratischen Fraktion, Martin Schulz, sprach in Hinblick auf das Mediengesetz von einer "ernsten Situation". "Ein einseitig eingesetzter Medienrat kontrolliert, was ausgewogene Berichterstattung ist." In der Demokratie würden aber die Medien die Macht kontrollieren und nicht umgekehrt. Deshalb sei Europa so besorgt. In Hinblick auf die Zweitdrittelmehrheit im Parlament, die Orbans konservative Fidesz-Partei bei den Wahlen im Frühjahr erlangte, warnte Schulz Orban davor, dass diese nicht für ihn zur Niederlage werde. Eine große Mehrheit bringe auch eine große Pflicht mit sich.

Schulz kritisierte auch die Haltung der EU-Kommission. Wenn in Österreich ein Bundesland ein Lkw-Fahrverbot verhänge, "verfällt die Europäische Kommission in eine tiefe Sinnkrise". Wenn aber die Grundlage der Demokratie bedroht sei, "prüfen sie sich einen Bart ab". An Orban richtete Schulz die Aufforderung, das Mediengesetz zurückzuziehen, ansonsten werde sich die Angelegenheit gegen den EU-Ratsvorsitz auswirken. Auch der Liberalen-Chef Guy Verhofstadt forderte Orban auf, das Mediengesetz zurückzuziehen. Ohne Orban namentlich zu nennen, sprach Verhofstadt von einem "Elefant im Porzellanladen".

Grünen-Chef Daniel Cohn-Bendit betonte, Orban sei "auf dem Weg, ein europäischer (Hugo) Chavez (venezolanischer Präsident, Anm.) zu werden, ein Nationalpopulist, der das Wesen und die Struktur der Demokratie nicht versteht". In Hinblick auf das Mediengesetz sagte er: "Ausgewogene Berichterstattung gibt es nicht." Und an Orban richtete er die Frage, ob der frühere US-Präsident Richard Nixon die Watergate-Affäre oder Ex-US-Präsident George W. Bush den Skandal um das US-Gefangenenlager Abu Ghraib im Irak als ausgewogen erachtet hätten.

Grüner Protest

Die Grünen im Europaparlament hatten Ministerpräsident Orban am Mittwoch in Straßburg mit einer Protestaktion gegen das umstrittene ungarische Mediengesetz empfangen. Mehrere Abgeordnete hoben Transparente in der Machart von Zeitungen hervor, auf denen "Zensur" stand. Außerdem verklebten sich viele symbolisch den Mund.

Die ungarische Medienbehörde kann drakonische Strafen über Medien verhängen, deren Berichterstattung sie als "politisch unausgewogen" einstuft. Die Strafbestimmungen treten erst in der zweiten Jahreshälfte in Kraft, und gegen sie können Medien vor Gericht klagen. Die auf neun Jahre ernannten fünf Mitglieder des Medienrates - der im Rahmen der Medien- und Telekommunikationsbehörde NMHH für die Kontrolle der Medienanbieter zuständig ist - stehen alle der regierenden Fidesz-Partei nahe. (red/APA)