Saskatchewan/Berlin - Carbon Capture and Storage (CCS) ist eine höchst umstrittene, zumindest aber denkbare Strategie, um das beständige Freisetzen von Kohlendioxid in die Atmosphäre zu verringern. Zumindest in einem Punkt kann zwischen Befürwortern und Gegnern der Methode aber keine Uneinigkeit bestehen: Dicht müssen die unterirdischen Lagerstätten, in denen das Kohlendioxid auf unbestimmte Zeit gleichsam eingesperrt wird, schon sein. Just das steht bei einer experimentellen Lagerstätte in Kanada nun in Frage.

Der Schauplatz

Laut einem Bericht der deutschen Umweltorganisation Greenhouse hat ein Farmer-Ehepaar in der kanadischen Provinz Saskatchewan ungewöhnliche Algenbildung und sterbende Tiere beobachtet. Als Ursache verdächtigten sie das Experiment zur unterirdischen Kohlendioxid-Speicherung - und diese These werde nun durch eine Studie untermauert, sagte Greenhouse am Mittwoch.

Das Ehepaar wohnt nach Angaben der Umweltschützer nahe des Weyburn-Ölfeldes der Firma Cenovus. Dort wird seit zehn Jahren Kohlendioxid in den Boden gepumpt - zum einen, um die Ausbeute bei der Ölförderung zu erhöhen, zum anderen jedoch auch, um große Mengen des Treibhausgases nicht in die Atmosphäre zu entlassen, erklärte Greenhouse. CCS werde vor allem von der Industrie als großer Hoffnungsträger im Kampf gegen den Klimawandel angepriesen. Doch das Ganze mache nur Sinn, wenn die unterirdischen Speicher absolut dicht seien, betonte die Organisation - schon bei geringen Lecks werde CCS zum Beschleuniger der Erwärmung, anstatt diese abzubremsen.

Phänomene mit gemeinsamer Ursache

Genau das ist nun in Weyburn möglicherweise der Fall. Das Ehepaar Kerr habe regelmäßig tote Tiere - Katzen, Ziegen, Hasen - gefunden. Es habe Explosionen gegeben, bei denen Grundwasser aus der Erde sprudelte. Greenhouse zufolge behauptet nun der Wissenschafter Paul Lafleur von der Consulting-Firma Petro-Find Geochem, die Ursache für die Vorfälle festgestellt zu haben: Der Boden weise eine ungewöhnlich hohe Kohlendioxid-Konzentration auf, es könne wegen seiner Isotopenzusammensetzung nur aus dem nahe gelegenen Ölfeld stammen. Der Energieminister von Saskatchewan, Bill Boyd, erklärte laut Greenhouse, man wolle die Vorfälle untersuchen, ein Stopp des Projekts käme aber nicht infrage.

Gerhard Hohenwarter, Klimatologe der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) auf der Hohen Warte in Wien, hält den Vorgang grundsätzlich für möglich. Er selbst habe im Owens Valley in Kalifornien beobachten können, wie natürliche unterirdische CO2-Lagerstätten leckgeschlagen und die dadurch ausgetretenen Gase für ein Waldsterben gesorgt hätten. "Wenn CO2 in großen Mengen kompakt austritt, kann dies massive Auswirkungen auf die umliegende Natur haben. Je nach ausgestoßener Menge, Windverhältnissen und Topographie können die Auswirkungen unterschiedlich sein. CO2 kann sich in Senken oder bei wenig Wind leichter in bodennahen Schichten halten", so Hohenwarter.

Allgemein betrachtet sei der Versuch, das CO2 im Boden wieder zu binden, nicht uninteressant. "Aber er läuft am eigentlichen Problem vorbei. Die Auswirkungen des CO2 auf den Klimawandel sind eine Sache, die andere ist unsere Abhängigkeit von fossilen Treibstoffen - und diese wird mit solchen Maßnahmen natürlich in keiner Weise reduziert", kritisiert der Wiener Klimatologe.

Auch natürliches CO2-Lager als Ursache möglich

Wie kanadische Wissenschafter behaupten, ist im Fall des Weyburn-Ölfeldes freilich die entscheidende Frage noch nicht geklärt: ob nämlich die CO2-Austritte aufgrund eines Lecks des Kohlendioxid-Speichers zustande kamen oder nicht eben auch auf natürliche CO2-Lager im Boden zurückgehen. Experten halten die Isotopenanalyse der Consulting-Firma für wenig aussagekräftig, da Untersuchungen 2001 bereits Austritte von natürlich vorkommendem CO2 mit genau jener Isotopenzusammensetzung bestätigt hätten.

Wie die kanadische Zeitung "Vancouver Sun" in ihrer Dienstag-Ausgabe berichtet, soll nun ein wissenschaftliches Institut namens IPAC-CO2 klären, woher die CO2-Austritte tatsächlich stammen. Wie unabhängig dieses Institut ist, steht allerdings wieder auf einem anderen Blatt Papier: Es wurde 2009 um 14 Millionen kanadische Dollar gegründet, das Geld stammte einerseits von der kanadischen Provinz- und Landesregierung, andererseits von Royal Dutch Shell - jenem Öl-Multi also, der massiv auf CCS setzt.

Wirtschaftliche Interessen

Kanada will die CCS-Technologie laut Greenhouse vor allem deshalb vorantreiben, weil man sich damit erhoffe, die Gewinnung von Öl aus Teersand klimafreundlicher gestalten zu können. Durch den energieintensiven Aufbereitungsprozess entstünden beim Teersand-Abbau etwa fünfmal so viel Treibhausgase wie bei konventioneller Ölförderung. "Es würde mich nicht wundern, wenn man dort mit allen Mitteln versucht, die Erdölproduktion zu forcieren", ergänzte Hohenwarter.

Das Kohlendioxid in Weyburn stamme aus einer Anlage zur Kohlevergasung in den USA - dem Great Plains Synfuels Plant. Kohlevergasung gilt als ein extrem klimaschädlicher Prozess, bei dem Braunkohle zu Methan verarbeitet wird, welches wiederum ins Gasnetz eingespeist wird. Doch die Dakota Gasification Company spricht Greenhouse zufolge von sauberer Energie - da etwa die Hälfte des entstehenden Kohlendioxids in Weyburn eingelagert werde. (APA/red)