Tunis/Paris/Berlin/Bern - Deutschland macht sich in der Europäischen Union für die Sperrung der millionenschweren Konten von Tunesiens Ex-Machthabers Zine el Abidine Ben Ali stark. Während der ehemalige Präsident sich in der neuen Heimat Saudi-Arabien einrichtet, kehren seine Landsleute langsam zur Normalität zurück.

Zahlreiche Geschäfte und Cafés in der Hauptstadt waren am Mittwoch wieder geöffnet, die meisten Tunesier gingen zur Arbeit. Die noch wenig stabile Übergangsregierung kam zusammen. Sie kann beim demokratischen Wiederaufbau Unterstützung durch die EU erhoffen.

Die deutsche Regierung will einen schonungslosen Umgang mit Ex-Machthaber Ben Ali. Dem 74-Jährigen und anderen ins Ausland geflohenen Mitgliedern seines Clans sollen notfalls alle Konten in der EU gesperrt werden. Berlin setze sich dafür ein, "dass die EU keinen sicheren Hafen für veruntreutes Staatsvermögen bietet", sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer, dem "Tagesspiegel". "Sollten gezielte Maßnahmen wie Kontensperrungen oder Einreiseverbote hierfür erforderlich sein, werden wir dies unterstützen."

Nach Angaben Hoyers berät die EU intensiv, wie der Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen in Tunesien unterstützt werden kann. Um die Stabilität in Tunesien wiederherzustellen, müsse auch die Korruption bekämpft werden, sagte der Staatsminister. 

Schweiz sperrt Konten

Auch die Schweiz hat möglicherweise im Land lagernde Vermögen Ben Alis und seines Umfeldes gesperrt. Damit will die Regierung verhindern, dass Gelder, die möglicherweise dem tunesischen Staat gehören, abgezogen und veruntreut werden, wie Außenministerin Micheline Calmy-Rey am Mittwoch sagte. Die Blockade gilt für drei Jahre. Tunesiens Behörden müssten nun ein Rechtshilfegesuch an die Schweiz richten, wenn sie Geld zurückhaben wollen.

Ben Ali war am Freitag nach 23 Jahren an der Macht gestürzt worden. Auslöser seines Abgangs waren Massenproteste gegen Korruption und hohe Arbeitslosigkeit. Sie hatten sich in der vergangenen Woche zu einem Volksaufstand ausgeweitet.

Die am Dienstag vereidigte Interimsregierung trat zu einer ersten Arbeitssitzung zusammen. In dem Kabinett sind erstmals seit der Unabhängigkeit des Landes 1956 auch frühere Oppositionelle beteiligt. Unter ihnen ist der 33-Jährige Blogger und Regimekritiker Slim Amamou. Er war während der Unruhen verhaftet worden und ist nun Staatssekretär für Jugend und Sport.

Eine Schwester des Präsidenten starb am Dienstag auf der Flucht in Richtung Algerien. Naima Ben Ali (73) habe einen Herzanfall erlitten, als sie mit ihren drei Söhnen von der Polizei angehalten wurde, berichteten tunesische Medien. (APA)