Leipzig - "Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen!" - So könnte in Zukunft das Kommando lauten, wenn es um die Frühdiagnose von Lungenkarzinomen geht. Vor allem für langjährige Raucher als Risikopersonen. Deutsche Wissenschafter arbeiten an einem System, wie man aus der Atemluft Rückschlüsse auf eine eventuelle Lungenkrebserkrankung ziehen könnte. Das Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie, Wissenschafter der Universitätsklinik in Leipzig und deutsche Unternehmen arbeiten bereits an der Entwicklung eines Prototypen.

Das Lungenkarzinom ist eines der größten Probleme der modernen Medizin. In Österreich wurde diese hoch gefährliche Diagnose im Jahr 2008 bei 2.682 Männern und 1.459 Frauen gestellt. Nur ein Drittel der Diagnosen werden in einem Stadium gestellt, in dem eine Operation noch Sinn macht. Die Prognose ist schlecht: Nur 15 Prozent der Patienten leben nach fünf Jahren. Trotz einiger medizinischer Fortschritte stieg die Zahl der Todesopfer in Österreich. 1983 erlagen 2.518 Männer der heimtückischen Erkrankung, weiters 649 Frauen. Im Jahr 2008 waren es 2.388 Männer und 1.224 Frauen.

Frühdiagnostik nahezu unmöglich

Als vermeidbare Ursache wäre in Sachen Lungenkarzinom natürlich das Rauchen zu nennen. Doch die Crux liegt auch in der bisher praktisch unmöglichen Frühdiagnostik. Zwar hat eine US-Studie erst vor kurzem ergeben, dass man mit wiederholten Computertomografie-Untersuchungen bei besonders starken Rauchern und Ex-Rauchern die Sterblichkeit an einem solchen Krebsleiden um 20 Prozent reduzieren könnte, doch auch US-Experten bezweifeln mittlerweile, dass ein solches Programm durchführbar wäre. Es sind die Kosten und ein recht hoher Anteil an falsch positiven Befunden, die sich im Endeffekt dann doch nicht als Krebs heraus stellen, die zu diesen Zweifeln führen. Weitere Methoden zur Früherkennung - die Entnahme von Gewebeproben (Bronchoskopie) und/oder das Ausspülen der Bronchien zur Identifizierung von bösartigen Zellen - sind ausgesprochen aufwendig.

Biomarker aus der Atemluft

Einen ganz anderen Weg gehen Hubert Wirtz und Ulrich Sack von der Universitätsklinik Leipzig in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie und beteiligte deutsche Unternehmen wollen hingegen Lungenkrebs aus der Atemluft diagnostizieren. "Wir haben seit 2006 zunächst verschiedene Biomarker identifiziert, die sich für den Nachweis von Lungenkrebszellen besonders eigenen. Die Schwierigkeit liegt dabei vor allem darin, die Krebserkrankung von chronisch entzündlichen Krankheiten (z.B. Asthma und COPD, Anm.) sicher unterscheiden zu können."

Die Wissenschafter kamen dabei auf den Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF), einen Wachstumsfaktor für Blutgefäße, der bei Tumorerkrankungen und zum Beispiel auch bei der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) und ihren Netzhautschäden eine Rolle spielt. Er wird in Karzinomen verstärkt gebildet, weil VEGF das Entstehen von Blutgefäßen zur Versorgung des Tumors provoziert. Die deutschen Experten sind soweit, dass sie in bestimmten Atemproben - die Probanden müssen 20 Minuten in ein Gerät atmen - das Vorliegen eines Lungenkarzinoms recht exakt feststellen können. Laut Veröffentlichungen wurden bei diagnostizierten Tumorpatienten alle derartigen Erkrankungen mit dem Verfahren bestätigt, es kam bei Gesunden in zwölf Prozent zu falsch positiven Befunden.

Die Methode basiert auf dem Sammeln von Atemkondensat. Dieses wird eingedampft und schließlich mit passenden Antikörpern auf VEGF untersucht. "Ziel ist es, in unserem gemeinsamen Projekt in den nächsten zwei Jahren einen Prototypen herzustellen, der anschließend in einer klinisch-diagnostischen Studie validiert und zur Serienreife weiterentwickelt wird", sagte Lehmann in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift des Fraunhofer-Instituts. Anti-VEGF-Medikamente werden seit einigen Jahren auch zur Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt. (APA)