Von irritierender Größe sind Ina Webers Modelle. Manche fangen Dinge ein, die im Verschwinden begriffen sind.

Foto: Galerie Georg Kargl

Ina Weber hat ein Herz für die Peripherie – jene meist hässlich in Gewerbeparks und Einkaufszentren ausfransenden Stadtränder. Nach Jahren in Paris und Brighton lebt die deutsche Künstlerin (geb. 1964) inzwischen in einem ebensolchen Eck in Berlin-Weißensee. Das "scheinbar Hässliche" zieht sie an, gestand die Künstlerin, die in Kassel unter anderem bei Kippenberger studierte.

In ebensolchen Niemandslanden, die die aus dem kleinstädtischen Diez an der Lahn geflohene Künstlerin auf ihren Reisen rund um den Globus erkundet, findet Weber ihre Motive: Tankstellen, Autohäuser, Hintertüren, Gartentore, brüchige Fassaden und angeschmuddelte Ecken. Die architektonischen Fundstücke übersetzt sie in Modelle im ungewöhnlichen Maßstab 1:13 (zu groß für ein Modell und trotzdem zu klein, um darin zu "spielen" ). Oder sie hält die fotografisch eingesammelten urbanen Fundstücke im Medium Zeichnung fest.

Diese Aquarelle sind für Weber Ausgleich zu ihrem betont handwerklichen Arbeiten mit Materialien wie Pressspan und Beton. Die Farbe setzt sie jedoch nicht etwa auf saugendes Aquarellpapier, sondern auf glatte Architektenfolie. Das Ringen von sich wellendem Papier und Farbe könnte man auch inhaltlich als Spannung interpretieren.

Zeigte Weber in ihrer ersten Soloshow bei Kargl 2005 ihre Trümmerbahnen – Minigolfbahnen, auf denen sie die Gartenromantik beschwörende Ruinen platzierte -, sind nun zwei Modelle von Bushaltestellen die zentralen Objekte der Ausstellung. Dass diese Wartehäuschen im Titel den englischen Begriff "bus shelter" zitieren, trägt keinesfalls nur dem Umstand Rechnung, dass ihre Vorbilder im englischen Brighton stehen. Vielmehr vermittelt der englische Begriff für die durchaus eleganten Wartearchitekturen auch den Aspekt des Schutzes. In den modernen Stadtmöblierungen will man Wind- und Wetterschutz zwar noch gewähren, ansonsten regiert inzwischen Design, das Vandalismus ebenso vorbeugt wie längerem Verweilen. Webers Modelle sind Denkmodelle, und die Bushäuschen erinnern an eine Welt, wie es sie längst nicht mehr gibt. Es sind Modelle einer Stadt, die sich wandelt und Müllsammler gebiert, wie etwa jene von Schanghai: Stadt, zeig mir deine Formen, deine Ecken, und ich sag dir, wer du bist. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD – Printausgabe, 20. Jänner 2011)