Der frühere langjährige SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky am Balkon des Bundeskanzleramtes im Jahr 1972.

Foto: Österreiches Staatsarchiv

Robert Menasse hat am Dienstagabend bei der Präsentation der ORF-Doku über Bruno Kreisky eine flammende Rede gehalten, in der er die Einführung von Zugangsbeschränkungen an den Unis als direkten Angriff auf die Bildung und die Demokratie bezeichnete – eine böse Spitze gegen Claudia Schmied – und unter dem Applaus der rund 700 Gäste auch Studiengebühren eine klare Absage erteilte. Das Studium müsse gratis sein und könne auch nicht durch ein Stipendiensystem ersetzt werden, denn dies würde Studierende zu Bittstellern degradieren.

Menasse schwelgte in der Erinnerung an das Jahr 1979, als er und Konrad Paul Liessmann im Marchfeld den letzten Wahlsieg Bruno Kreiskys erlebten. Tatsächlich ist die Erinnerung an diese Zeit für den begnadeten Polemiker noch hellwach – kein Wunder, denn an Menasse sind die vergangenen 30 Jahre offenbar spurlos vorbei gegangen. Er ist, wie man seiner Rede entnehmen konnte, ein überzeugter Kreiskyaner, der immer noch in den siebziger Jahren lebt.

Wohl ist die Mehrheit der Kreisky-Bewunderer überzeugt, dass sich der Alte im Grab umdrehen würde, wenn er wüsste, dass Hertha Firnbergs Uni-Reformen gerade zu seinem 100. Geburtstag von ihren Nachfolgerinnen zurückgenommen werden.

Aber würde Kreisky wirklich heute noch am völlig freien Unizugang festhalten - angesichts  des Chaos in den Massenfächern, der schlechten Position der österreichischen Unis in weltweiten Rankings und den fehlenden Mitteln, um die Hochschulen mit Steuergeldern auf internationalen Standard zu heben? Kreisky war Visionär, aber auch Pragmatiker, und er wusste, wenn ein eingeschlagener Weg nicht mehr funktionierte.

Denn die Öffnung der Unis in den siebziger Jahren war ein richtiger und wichtiger Schritt. Aber die Bildungsoffensive ist in den 40 Jahren Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden. Als Menasse und Liessmann bei Michael Benedikt begeistert Philosophie studierten, war die Zahl der Studenten deutlich kleiner, das Verhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden viel niedriger.

Die Unis waren Elite-Institutionen, die sich gerade für die breite Masse öffneten. Und die, die davon Gebrauch machten, kamen in den Genuss einer guten und billigen Bildung.

Heute ist Kreiskys Vision erfüllt – eine Mehrheit der 18-Jährigen sucht einen weiterführenden Bildungsweg. Und wer nicht genau weiß, was er/sie werden will, was in diesem Alter ja normal ist, inskribiert halt in einem Massenstudium.  

Die Folge ist, dass Studieren heute nur noch formal kostenlos ist. In Wirklichkeit kostet ein Studium in Österreich viel: Zeit, Nerven und zusätzliche Initiativen, ohne die man trotz Abschluss schlecht vorbereitet in jede akademische oder  berufliche Laufbahn tritt.

Man kann über Studiengebühren diskutieren, wie das europaweit geschieht, aber mit dem Verzicht auf sie geht ein wichtiges Steuerungs- und Finanzierungsmittel verloren, ohne dass damit mehr soziale Gerechtigkeit geschaffen wird. Und wer sich für einen völlig freien Unizugang ausspricht, möchte Studierenden offenbar genau in jenen Ellbogentechniken ausbilden, die Menasse so verabscheut. Eine unregulierte Massenuni ist brutal wie ein Dschungel.

Bildung ist keine Gratisware, die man sich einfach vom Regal nimmt. Man muss auch etwas dafür leisten – etwa sich genau überlegen, was man eigentlich studieren will und von Anfang an genug lernen, um Prüfungen zu bestehen. Deshalb sind Zugangsbeschränkungen im Prinzip vertretbar und sogar wünschenswert, selbst wenn die jetzige Regelung unausgegoren wirkt.

Natürlich könnte man alle Probleme lösen, indem das Unibudget verdoppelt oder verdreifacht wird. Die Kinder aus bürgerlichen Familien, die immer noch in viel größerer Zahl studieren als die aus der Unterschicht. Aber dieses Geld muss von irgendwo kommen, und auch Kreisky musste im Laufe seiner Kanzlerschaft lernen, dass das Geld nicht auf den Bäumen wächst.

Kreiskys Universitätsvisionen haben sich überlebt und funktionieren heute nicht mehr.  Wer dennoch sklavisch daran festhält, der untergräbt nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit des Landes, was Feingeistern wie Menasse betont gleichgültig ist, sondern auch das Bildungsniveau und damit den demokratiepolitischen Diskurs in diesem Land. Und das hätte auch einem Kreisky schlaflose Nächte bereitet.