Bild nicht mehr verfügbar.

Wenn das Sackerl gratis ist, ist Widerstehen noch viel schwieriger.

Foto: AP Photo/Jacquelyn Martin

Die Italiener lassen seit heuer nur noch Sackerl aus biologisch abbaubaren Materialen zu - Wir in Österreich werden uns noch länger selbst entscheiden müssen, ob wir zum Sackerl greifen oder nicht - Jeden Tag im Supermarkt

Es ist gar nicht so leicht, sie konsequent zu verweigern. Die Stofftasche hat man nicht immer dabei und dann geht man kurz mal in den Supermarkt, um ein paar Kleinigkeiten zu kaufen, dann kommt aber noch das dazu, und dies und jenes - und schon steht man mit übervollen Händen vor der Kassa. Und greift zum freundlich bereitgelegten Plastiksackerl von der Rolle. Die sind doch eh nur so klein und ganz dünn. Und gratis.

Bei anderen Anlässen wird man gar nicht gefragt. Beim Fleischhauer wird das Mittagsmenü (im Plastiktasserl mit Plastikfolie darüber) gleich einmal ins Plastiksackerl verfrachtet. Aber nicht immer. An manchen Tagen kommt das Papperl direkt ins Papiersackerl - warum mal so und dann wieder anders ist, ist eines der großen Mysterien der Wiener Innenstadt. Einen entscheidenden Vorteil haben diese Fleischersackerl aus Kunststoff allerdings: Im Gegensatz zu anderen Säcken aus Supermärkten etwa passen diese daheim perfekt in den Restmüllkübel unter der Abwasch. Die sind am oberen Rand groß genug, dass man sie über den Kübelrand drüber spannen kann. Und so hat man wenigstens wieder einen Mistsack gespart. 

In Wien ist man ja ohnehin im Zwiespalt, weil abgesehen von den Kunststoffflaschen ohnehin alles Plastikzeugs im Restmüll landet. Der verbrannt wird. Und je höher der Kunststoffanteil im Mist, desto geringer der Brennstoffbedarf. Sagen sie. Aber irgendwie bleibt da so ein Nachgeschmack, dass man da jetzt ein bisserl einer Propaganda aufsitzt.

Sackerl-Tifosi

In Italien brauchen sie sich über das alles jetzt nicht mehr den Kopf zu zerbrechen. Dort sind seit Jahresbeginn nur noch Tragtaschen aus biologisch abbaubarem Material erlaubt - und die Italiener waren regelrechte Sackerl-Tifosi. Pro Kopf und Jahr hatten die rund 300 mal gesackerlt. In Summe kamen da rund 200.000 Sackerltonnen im Jahr zusammen. Und jetzt geht's auf einmal auch ohne. Oder zumindest biologisch abbaubar.

Und das will jetzt auch der oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober - wie berichtet, soll das bis Mitte 2012 möglich sein. Die Plastikindustrie kontert schon: Laut einer Studie würde bei einem Umstieg auf andere Verpackungsmaterialien der Materialverbrauch um das Vierfache steigen, der Energieverbrauch um ein Viertel und der Ausstoß von Treibhausgasen um 55. Prozent. Sagt die Studie.

Ich gehe einmal davon aus, dass sich die Emissionsrechnung auf die Sackerl bezieht und nicht auf ganz Österreich. Und die verbrauchten Materialen sind halt in einem Fall fossile - und im anderen Fall erneuerbar.

Die angeregte Prüfung

Aber so, wie es aussieht, werden wir uns ohnehin noch länger tagtäglich selbst entscheiden müssen. Schließlich leben wir in einem Land, in dem der Umweltminister verkündet: "Jedes Plastiksackerl weniger ist ein weiterer, wichtiger Schritt in Richtung noch mehr Umweltschutz" - und deshalb als allererstes einmal auf die "Kooperation mit dem Handel" setzt. Aber der Minister will auch selbst aktiv werden. Er will - gewiss mit aller Vehemenz - die "Prüfung einer Kennzeichnungspflicht für Kunststofftragetaschen durch die EU-Kommission anregen".

Also spätestens jetzt hat er uns im Sack, der Herr Minister. (Roman David-Freihsl, derStandard.at, 19.1.2011)

derStandard.at/Panorama auf Facebook