Wien - Die Hoffnung auf Strafminderung hat sechs Spediteure des so genannten "Stückgutkartells" doch "zum Singen" gebracht. Sie haben am Dienstag und Mittwoch dieser Woche beim Kartellgericht schriftlich gestanden, jahrelang einem Spediteurskartell angehört zu haben. Ein Verfahren gegen rund drei Dutzend Unternehmen ist bereits seit Februar 2010 anhängig. Bisher hatten die Betriebe, wie mehrfach berichtet, jede Schuld von sich gewiesen.

Dementsprechend überrascht zeigte sich am Donnerstag auch der Zentralverband Spedition & Logistik. "Ich weiß nicht, was hier passiert ist. Ich kann im Moment nichts sagen", meinte Geschäftsführer Andreas Demmer auf Anfrage des Standard.

Zwei Kartelle

Aber der Reihe nach: Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) sieht zwei mutmaßliche Kartelle.

SSK: Unter dem sperrigen Titel "Speditions-Sammelladungs-Konferenz" sollen die Unternehmen zwischen 1994 und 2007 Preisabsprachen vorgenommen haben. Das ganze sei richtiggehend institutionalisiert und dem Lombard-Club der Banken ähnlich gewesen, wie es heißt.

Die Treffen an sich werden von der Branche auch gar nicht bestritten. Im Gegenteil: 1995 haben die Spediteure von sich aus ein "Bagatell-Kartell" beim Kartellgericht angemeldet. Diese waren dann vom Kartell-Verbot ausgenommen, wenn sie maximal fünf Prozent des Gesamtmarktes oder 25 Prozent eines Teilmarktes ausmachen. Allerdings: Preisabsprachen waren in keinem Fall erlaubt. Die BWB bezweifelt aber auch, dass bei rund 40 beteiligten Unternehmen überhaupt ein Bagatell-Kartell vorliegen kann.

Kurios dabei: Das Kartellgericht hat das Bagatell-Kartell 1995 "zur Kenntnis" genommen. Eine formale Genehmigung gab es zwar auch nicht, "offenbar haben aber alle die Augen zugemacht", heißt es in der Branche.

Die BWB ist jedenfalls der Ansicht, dass europäisches Kartellrecht verletzt wurde.

Schienenspediteur: Ab 1999 gab es darüber hinaus ein zweites Kartell. Die Unternehmen des ersten Kartells sollen sich mit einem Schienenspediteur abgesprochen haben - gemeint ist Rail Cargo Austria (RCA), die Güterverkehrssparte der ÖBB. In diesem Fall gab es kein Bemühen, ein Bagatell-Kartell anzumelden. Bei der Bahn bestreitet man weiterhin, Teil eines Kartells gewesen zu sein: "Wir sind zuversichtlich, dass das zu unseren Gunsten ausgeht.

Mit ihren Geständnissen haben die sechs Spediteure der RCA freilich einen Strich durch die Rechnung gemacht. Denn nun ist klar, dass die Absprachen, die Kronzeuge DB Schenker zugegeben hat, keine Fiktion waren. Die BWB, die dem Kartellgericht die Bußgeld vorschlagen muss, sieht sich entsprechend im Aufwind. Die Ermittlungen seien bestätigt worden, sagte Theodor Thanner, Generaldirektor für Wettbewerb. Welche sechs Unternehmenschefs "gesungen" haben, ist unter Verschluss. Bei einem Standard-Rundruf wollte sich am Donnerstag kein Unternehmen outen. Die Geständigen dürfen aber mit reduzierten Strafen rechnen. Wie viel Geld die späte Reue erspart, bleibt abzuwarten. Straffrei bleibt nur Kronzeuge DB Schenker. Den anderen drohen Geldbußen bis zu zehn Prozent des Umsatzes. Bei RCA wären das bis zu 400 Millionen Euro - Geld, für das das angeschlagene Unternehmen in der Bilanz noch nicht vorgesorgt hat. Stückgut sei ein kleiner Bereich der RCA, daher seien die Strafen sicher deutlich niedriger, heißt es. (Günther Oswald, Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.01.2011)