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Foto: AP/Proepper

Nach dem Unfalltod einer Kollegin sollen Soldaten auf dem deutschen Schulschiff Gorch Fock gemeutert haben. Auch der Tod eines Soldaten in Afghanistan und geöffnete Feldpost bringen Minister Guttenberg unter Druck.

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Drei Masten, fast 90 Meter Länge, 85 Mann Stammbesatzung: Die Gorch Fock, benannt nach dem 1916 in einer Seeschlacht am Skagerrak gefallenen gleichnamigen Schriftsteller, ist der Stolz der deutschen Marine. Das 1958 erbaute Schiff dient als Segelschulschiff, Offiziersanwärter werden darauf ausgebildet.

Doch nun wird die Seefahrerromantik empfindlich gestört: durch Berichte über eine Meuterei auf dem Schiff vor Brasilien. Im November stirbt eine 25-jährige Offiziersanwärterin nach einem Sturz aus der Takelage. Daraufhin weigern sich ihre Kameraden, in die Segel zu klettern. Sie sollen deshalb von Kapitän Norbert Schatz massiv unter Druck gesetzt und beschimpft worden sein. Als sie sich weiterhin weigern, wirft er vier von ihnen "Meuterei und Aufhetzen der Crew" vor, dann schickt er alle 70 Offiziersanwärter per Flugzeug nach Deutschland. Das Schiff fährt nur mit Stammbesatzung weiter, derzeit kreuzt es vor Chile.

Der deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) fordert nun eine "rückhaltlose Aufklärung" der Vorfälle an Deck. Sollten tatsächlich Soldaten unter Druck gesetzt worden sein, werde es auch "personelle Konsequenzen" geben, erklärte er am Donnerstag. Ein Team von Marine-Ermittlern ist auf dem Weg nach Argentinien und wird dort die Untersuchungen aufnehmen. Geklärt werden soll auch, ob die verunglückte junge Frau mit 1,59 Meter Körpergröße nicht zu klein für den Befehl war und gar nicht hätte klettern dürfen.

Info vom Wehrbeauftragten

Das Pikante an der Angelegenheit: Guttenberg selbst wusste offenbar von der "Meuterei" und dem schlechten Klima an Bord nichts oder wollte dies verschweigen. Publik gemacht hat es nun der Wehrbeauftragte der Regierung, Hellmut Königshaus (FDP).

Er war es auch, der Guttenberg von einem zweiten Vorfall in Kenntnis setzte: Über Monate wurde die Feldpost deutscher Soldaten in Afghanistan geöffnet. Deren Familien und Freunde in Deutschland bekamen reihenweise leere Kuverts oder unvollständige Schreiben. "Es ist untragbar, dass Briefe geöffnet werden", meinte daraufhin Guttenberg und leitete eine weitere Untersuchung ein. Unklar ist bis jetzt, wo die Post entfernt worden ist.

Noch ein dritter Vorfall belastet Guttenberg. Im Dezember starb ein junger deutscher Soldat in Afghanistan - bisher hatte es geheißen, der 21-Jährige sei beim Reinigen seiner Waffe ums Leben gekommen, als sich ein Schuss löste. Nun aber ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen Kameraden. Mehrere deutsche Medien berichten, dieser habe bei "Spielereien" mit Waffen mit seiner Pistole auf den Hauptgefreiten gezielt und auch abgedrückt.

Die SPD will Guttenberg kommende Woche vor den Wehrausschuss des Bundestages zitieren. Dort soll er aussagen, was er zu welchem Zeitpunkt gewusst habe. "Guttenberg muss die drei Vorfälle zur Chefsache machen" , fordert SPD-Wehrexperte Rainer Arnold. Im Verteidigungsressort sei offenbar nicht klar, worüber der Minister informiert werden müsse. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 21.1.2011)