Foto: Matthias Cremer

Der Ungar und die Ungarin sind keine Diphtongierer. Der Zwielaut liegt ihnen so wenig auf der Zunge wie den Italienern. Die deutschsprachigen Nachbarn sind allerdings das genaue Gegenteil. Zwar mögen auch sie den Zwielaut nicht, aber anders als die Magyaren flüchten sie sich nicht in die Monovokalität, der Burgenländer bevorzugt den Dreilaut, was seinem Dialekt eine etwas animalische - da und dort auch ans Steirische gemahnende - Tönung verleiht.

Ein ganz gutes Beispiel dafür ist die schlichte Bohne, Grundnahrungsmittel hier wie dort, in allerlei Variationen an-und zugerichtet. Den alten deutschsprachigen Ödenburgern wurde von den ans Wort bab gewohnten ungarischen Mitbürgern sogar ein diesbezüglicher Spottname umgehängt, der heute noch ein ganzes Soproner Stadtviertel bezeichnet: Poncichter. Als solche freilich hätten sie bloß die "Pon" züchten können. Und das ist in Wahrheit eine ganz andere Frucht als die dreilautige "Baou", als welche sie allerorten hoch geschätzt wird, wenngleich aus Gründen der "leichten Küche" in einem zuweilen etwas diffamierenden Sinn.

Im Pannonischen freilich - und zwar da wie dort - taucht sie dennoch nicht nur auf dem winterlichen Mittagstisch der urbarialen Holzarbeiter auf, sondern immer noch auf den Speisekarten auch gediegener Restaurationen, auch wenn der eine oder andere unerfahrene Gast dann damit ein wenig zu kämpfen hat, weil er die magenfüllende Wirkung unterschätzt. Stefan Zach, der Maître der Mattersburger Martinischenke, erzählt zum Beispiel von einem hungrigen Schauspieler, der zum Baousterz gar noch eine Semmel dazubestellte, um sich dann dabei zusehen zu lassen, wie der deftig abgeschmalzte Bohnen-Mehl-Brei beim Kauen an Volumen zunahm, Biss für Biss. Da nützt auch kein noch so wackeres Nachschütten mehr. Die Sache pappt.

Bohnenstrudel und im Bohnensterz

Neben den klassischen Sachen wie Suppe und Salat taucht die Bohne in zwei speziellen pannonischen Varianten auf: im Bohnenstrudel und im Bohnensterz, wobei Zweiterer in früherer Zeit auch als eine Art Prüfung für die häusliche Kochfertigkeit galt. Denn die Zubereitung ist - bei aller Schlichtheit der Zutaten - eine bemerkenswert aufwändige. Herzstück des Sterzes ist nämlich das Linden. Das Mehl - Stefan Zach schwört auf eine Halbe-Halbe-Mischung von glatt und griffig, aber auch da gibt es verschiedene Weltanschauungen - muss nämlich brennheiß gemacht werden, ohne dabei anzubrennen, was nur durch eine allmähliche Hitze und ständiges Rühren gelingt. Ab und zu wird mit der Hand geprüft. Fertig gelindet ist dann, wenn der Koch, die Köchin diese Prüfung "gerade nicht mehr" aushält. Erst dann kommen - nach und nach - die weich gekochten Bohnen samt dem Kochwasser ins gelindete Mehl, wobei die Rührleistung noch forciert wird. Das Ganze soll ja nicht klumpen, sondern bröseln. Der geschmacklich entscheidende Schritt erfolgt erst dann: Heißes Schweineschmalz - nicht zu knapp bemessen - wird eingearbeitet. Angeblich gibt es schon Leute, die Olivenöl dazu verwenden, aber das ist dann natürlich kein Baousterz mehr, denn das Olivenöl ist ja ein großer Feind - um nicht zu sagen: das Gegenteil - des Dreilautes.

Variationen der Sterzbereitung ...

Variationen der Sterzbereitung gibt es allerdings tatsächlich unzählige. Im Eisenstädter Funkhaus erzählt man sich zum Beispiel, dass nach einer einschlägigen Baousterz-Radiosendung der Reihe "Mahlzeit Burgenland" zahlreiche Anrufer empört darauf hingewiesen hätten, dass das vorgestellte Rezept keineswegs das richtige gewesen sei. Sondern das eindeutig falsche. Womit die Anrufer natürlich Recht, genauso natürlich aber Unrecht hatten.

Im südburgenländischen Weiden bei Rechnitz / Bandol zum Beispiel - das entnimmt man am besten der wunderbaren Kochbuchreihe des Kroatischen Kultur-und Dokumentationszentrums - macht man den Grahovi Zganci ganz nach der klassischen, oben beschriebenen Methode. Im mittelburgenländischen Nikitsch / Filez dagegen nimmt man statt des Bohnenwassers Bohnensuppe, aber in Nikitsch sagt man zum Baousterz ja auch Pazonovi Zganci. Stefan Zach stammt zwar aus der unmittelbaren Nähe von Nikitsch, aus Neckenmarkt, die Sache mit der Suppe ist ihm allerdings fremd. Dagegen kann er sich Speckwürfel oder, noch besser, Brat'lfett'n - als Geschmacksintensivierer vorstellen.

... und des Verdrückens

So verschieden wie die Zubereitung ist auch das Verdrücken. An sich wäre der Sterz ja eine klassische Zuspeis' zur Rahmsuppe. Als solche wird sie auch tatsächlich serviert. Aber nicht nur. Der Baousterz gilt auch als fleischlose Hauptspeis', klassisch mit Gurkensalat. Auch Krautsalat kommt gut, der Magen hat mit den Bohnen ja ohnehin schon zu tun, da fällt das Kraut nicht mehr weiter ins Gewicht. Aber der Baousterz hat auch seine süße Seite. Ein bisserl Staubzucker drüber, ein Kompott dazu: So wird das Ganze auch ein wenig kinderverträglicher.

Und natürlich reichlich trinken, der Sterz ist ja trotz des Schmalzes eine eher trockene Angelegenheit. Die Frage des Trinkens bringt die alte, deftige Bauernkost ins Problembewusstsein der feinschmeckenden, neueren Kulinarik. Welcher Wein passt denn zu so was?

Stefan Zach, ein Weinritter, der sich unter seiner Mattersburger Martinischenke einen wirklich feinen Keller angelegt hat - Vinothek heißt das auf modern -, empfiehlt entweder einen alkoholreichen Weißen oder einen gehaltvollen, schweren Zweigelt oder Blaufränker, wenn geht aus dem Mittelburgenland. Freilich ist ihm klar, dass die Frage des passenden Weins im Zusammenhang mit dem Baou- sterz eine sehr spitzfindige ist. Ein Krügel Bier oder eine Halbe Most tut's auch. Besser noch wäre allerdings schlichtes Wasser, denn eines ist schon auch klar: Eine schöne Portion Baousterz erheischt eine klare Verdauungshilfe. Am besten eine aus der hochbegnadeten Kukmirner Brennerei Lagler, die nun dazu übergegangen ist, im Südburgenland auch einen eigenen Whiskey zu machen. Das ist so, als würde der Butler eines Londoner Clubs den Lords zu Mittag Baousterz servieren. Und das wäre - nun ja: immerhin interessant. (DER STANDARD/rondo/09/05/2003)