"Normal" wären eigentlich Werte an "bösem" LDL-Cholesterin von 40 bis 80 Milligramm pro Deziliter Blut. Doch die Situation sieht anders aus. So erklärte der Wiener Nuklearmediziner und Atheroskleroseforscher Univ.-Prof. Dr. Helmut Sinzinger vor kurzem bei der Fortbildungswoche der Österreichischen Apothekerkammer: "Neugeborene haben einen (Gesamt-)Cholesterinwert von 100 Milligramm. Bei ihrem Tod haben Asiaten einen Cholesterinwert von 120 Milligramm, wir einen von 220 Milligramm pro Deziliter Blut." Das sei das "Geheimnis", warum in weiten Teilen Asiens bei traditionell fettarmer Ernährung kaum Herz-Kreislauf-Erkrankungen registriert werden.
Statin-Medikamente
Ernährungsgewohnheiten ließen sich ändern. Doch das oft schwierig. Hinzu kommt, dass erhöhte Cholesterinwerte auch genetische Ursachen haben können. Menschen mit Atherosklerose-bedingten Herzerkrankungen (nach Infarkt etc.) oder auch Personen ohne Symptome eines solchen Leidens, aber mit vielen Risikofaktoren (erhöhte Cholesterin-Werte, Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes etc.) bekommen daher zunehmend Statin-Medikamente. In den vergangenen 15 Jahren haben diese Medikamente die Behandlung von zu hohen Cholesterin-Werten revolutioniert. Sie blockieren die Produktion dieser Fette in der Leber. Doch längst nicht nicht alle Behandelten zeigen eine ausreichende Wirkung.
Das soll sich jetzt ändern. In mehreren Staaten der Welt wurde in der jüngeren Vergangenheit der vom Pharmakonzern Schering-Plough stammende und gemeinsam mit Merck, Sharp & Dohme vermarktete Cholesterin-Absorptionshemmer Ezetimibe (Ezetrol(r)) zugelassen. In Deutschland gibt es das Medikament seit vergangenem November. In Österreich soll es in einigen Monaten erhältlich sein.
Der Grazer Fettstoffwechselexperte Univ.-Prof. Dr. Hermann Toplak über die Hauptvorzüge des neuen Wirkstoffprinzips: "Wir nehmen ja relativ viel Cholesterin aus dem Darm auf. Rund die Hälfte unseres Cholesterins stammt aus dieser Rückresorption."
Zwar sei die Substanz selbst mit einer erreichbaren Senkung des "bösen" LDL-Cholesterins um 17 Prozent hier schwächer wirksam als die Statine, doch bei Kombination beider Medikamente potenziert sich offenbar der Effekt. Toplak: "Eine Verdopplung der Dosis eines Statins bringt nur eine zusätzliche Senkung des Cholesterinwerts um etwa sechs Prozent. In Kombination eines Statins mit dem neuen Absorptionshemmer aber erhalte ich eine Wirkung wie die sechs- oder achtfache Statin-Dosis."
Nebenwirkungen hoher Dosierungen
Das neue Behandlungsprinzip soll auch die Gefahr von Nebenwirkungen hoher Dosierungen der herkömmlichen Statine verringern. Die Nebeneffekte - erst im Sommer 2001 musste der deutsche Pharmakonzern Bayer sein "Lipobay" vom Markt nehmen - steigen nämlich mit der Dosis eklatant an. Bleibt der Cholesterinspiegel unter der Behandlung hoch, wird eben die Dosis verdoppelt - und die Rate der Nebeneffekte schnellt in die Höhe.
Deshalb könnte man in einer zukünftigen Strategie die bestens verträgliche Basis-Dosis eines Statins mit zehn Milligramm von Ezetimibe kombinieren und so eine besonders große Verringerung der Blutfettwerte bei Sicherheit vor Nebeneffekten erzielen. Zehn Milligramm des Statins Simvastatin plus zehn Milligramm Ezetimibe zeigen einen Effekt wie 80 Milligramm Simvastatin.
Wirkung
Der Wirkungsmechanismus des neuen Arzneimittels ist noch nicht vollkommen geklärt. Es handelt sich um einen selektiven Cholesterinabsorptionshemmer, der so genannten Bürstensaum der Darmwand die Aufnahme der Fett-Partikel blockiert. Gehemmt wird sowohl die Aufnahme von freiem Cholesterin aus der Nahrung als auch die Rückresorption von Cholesterin aus der Gallensäure.
Neue wissenschaftliche Studien beweisen den guten Effekt solcher Kombinationstherapien (Simvastatin und Ezetimibe): Unter 668 Patienten wurden insgesamt zehn Gruppen gebildet.
Dabei bewirkte die zusätzliche Behandlung mit Ezetimibe eine zusätzliche Verringerung des "bösen" LDL-Cholesterins um 13,8 Prozent, das "gute" HDL stieg um 2,4 Prozent an. Die Triglyceridwerte sanken um 7,5 Prozent. Die Kombinationstherapie verursachte insgesamt eine Verringerung der LDL-Konzentration um 44 bis 57 Prozent (Triglyceride: minus 20 bis 28 Prozent). Das HDL erhöhte sich um acht bis elf Prozent.
Erst am 29. April erschien in der angesehenen US-Fachzeitschrift "Journal of the American Heart Association" eine ähnliche Studie, bei der das neue Medikament mit dem Statin "Atorvastatin" kombiniert wurde. Dabei zeigte sich eine ähnlich gute Kombi-Wirkung der beiden Medikamente. (APA)