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Bundespräsident Thomas Klestil bei der Budgetrede von Finanzminister Karl Heinz-Grasser am 7. Mai 2003 im Parlament.
Foto: APA/Jäger
Wien - Die Kronen Zeitung hat sicherheitshalber zu einem Rufzeichen auf dem Cover gegriffen, um die Dringlichkeit ihres Begehrs zu unterstreichen. Die Schlagzeile der Donnerstagausgabe hieß: "Jetzt muss Klestil Frieden stiften!" und "alle an einen Tisch" bringen. Prompt kam um Punkt 11.26 Uhr eine Eiltmeldung über die Austria Presseagentur: "Klestil für Verschiebung der Reform" - der Pensionsreform. Die Crux: Die Regierung denkt nicht daran, Klestil eine ruhmreiche Rolle als Friedensstifter zuzugestehen.

"Genügend Zeit für einen breiten politischen Dialog"

Klestil meinte, die Regierung solle den Sozialpartnern "bis Ende September Zeit geben", um ihre Vorstellungen in die Pensionsreform einbringen zu können. Eine derart wichtige Frage, die "das Leben jedes Menschen ganz wesentlich beeinflusst", brauche "genügend Zeit für einen breiten politischen Dialog". Vertrauliche Gespräche mit den Sozialpartnern hätten ihm gezeigt, diese lehnten die Reform nicht ab, aber dass ihr Angebot abgelehnt worden sei, so Klestil.

"Persönliche Meinung"

Die Regierungsvertreter beider Parteien taten Klestils Wortmeldung als "seine persönliche Meinung" ab, die er "öffentlich geäußert hat" (FP-Regierungskoordinator Karl Schweitzer) oder bemühten gar die allgemeine "Meinungsfreiheit" (FP-Klubchef Herbert Scheibner), um Klestils Wortspende als das zu skizzieren, als das man sie zu verstehen gedenke - einen von vielen Sagern, mit denen man in diesen Tagen belästigt werde.

FP-Generalsekretärin Magda Bleckmann meinte, "vielleicht ist das ein Grund" für Klestils Einmischung, dass die Reform auch PolitikerInnen treffe.

VP-Klubobmann Wilhelm Molterer gab zu Protokoll: "Der Herr Bundespräsident ist mit seiner Meinung sehr, sehr wichtig." Den Fahrplan will er deswegen aber noch lange nicht ändern - ja, ihn Klestil noch genauer erklären vielleicht. ÖAAB-Chef Werner Fasslabend erblickte indes eine Verkennung der präsidialen Aufgaben. "Net amal ignorier'n" lautete die Tageslosung von Kanzler Wolfgang Schüssel und Vizekanzler Herbert Haupt. Sie ließen Klestil demonstrative Ignoranz angedeihen. Unverständlich für GÖD-Chef Fritz Neugebauer (VP), der Klestils Vorschlag "sehr sinnvoll" findet.

SPÖ, Grüne und Haider..

Schützenhilfe bekam Klestil von Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider. "Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen", Klestil solle die Sommerpause des Nationalrats streichen und die Abgeordneten sollen arbeiten. Auch SPÖ und Grüne unterstützten Klestil. (nim, D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 9.5. 2003)