Die USA haben einen neuen, zivilen Statthalter für den Irak eingesetzt. Der ehemalige Außenamtsexperte für Terrorismus, L. Paul Bremer, soll nun versuchen, das Chaos, das der pensionierte General Jay Garner im Irak derzeit zulässt, zu ordnen.

Es ist zu hoffen, dass ab nun die beinahe kriminelle Fahrlässigkeit der USA im Nachkriegsirak eine Wende erlebt. Die USA haben zwar in einem Blitzkrieg den Irak erobert, vernachlässigen aber ihre völkerrechtlichen Pflichten als Besatzer gegenüber der Bevölkerung. Die großen internationalen Zeitungen und Vertreter von Hilfsorganisationen - auch österreichischen wie der Diakonie - berichten von katastrophalen Zuständen: In Bagdad treiben sich nach wie vor bewaffnete Banden von Plünderern herum. Die große Plünderung nicht nur des irakischen Nationalmuseums, sondern auch der Staatsbibliothek und anderer kultureller Einrichtungen geschah nicht nur unter den Augen des amerikanischen Militärs, das von verzweifelten Wissenschaftlern vergebens um Schutz gebeten wurde; in der Süddeutschen berichtet ein deutscher Altorientalist, dass die US-Soldaten aktiv zum Plündern aufforderten ("Take it, Ali Baba, it's yours").

Noch katastrophaler ist die gesundheitliche Situation. Die Spitäler haben nach wie vor kaum medizinische Geräte, Medikamente, Wasser und Strom. In der Washington Post wird geschildert, wie Hunderte Kinder, die verseuchtes Wasser getrunken haben, nicht gegen Durchfall und Dehydrierung behandelt werden können, obwohl das normalerweise kein Kunststück wäre.

Im Süden wurde soeben der Ausbruch von Cholera gemeldet. Die Kämpfe sind seit einem Monat vorbei, aber die britischen und amerikanischen Truppen haben es bisher nicht geschafft, eine ausreichende Versorgung mit sauberem Wasser zu gewährleisten. "Das Saddam-Regime ist verschwunden, aber nichts ist an seine Stelle getreten", schreibt die Washington Post. Es gibt keine funktionierende lokale Regierung, keine Strukturen und fast keine humanitäre Hilfe. Einem EU-Flugtransport mit medizinischer Hilfe wurde bis vor kurzem die Landung in Bagdad verweigert - "Sicherheitsrisiko".

Die Ursachen liegen klar zutage: Es handelt sich teils um bewusste, teils um inkompetente Vernachlässigung. Die Regierung Bush wollte einen schnellen und relativ unaufwendigen Sieg - sie hat ihn bekommen, durch den Einsatz von nicht mehr als drei Divisionen, also etwa 50.000 Mann. Offenbar gab es aber keine ausreichenden Vorbereitungen für das Notwendigste im "danach". Von den politischen Fehlkalkulationen ganz zu schweigen: Radikale Schiiten sind dabei, im Süden die Macht zu übernehmen - auch deshalb, weil die Amerikaner nicht für Ordnung und Hilfe sorgen.

Die Vernachlässigung des Irak hat aber auch eine Komponente der bewussten Politik. "We are not into nation-building", ist das Mantra der Rechtsideologen um Donald Rumsfeld. Das US-Militär soll nur kurz reingehen, siegen und möglichst schnell wieder rausgehen - natürlich unter Hinterlassung einer US-freundlichen Regierung. Verbündete, oder die UNO oder die EU, die sich um den Aufbau kümmern, sind eigentlich auch nicht besonders willkommen. Aber das Ergebnis ist dann eine humanitäre Krise. Und wie der Irak auf diese Weise zum "demokratischen Modell" für den Nahen Osten werden soll, das ist Rumsfelds Geheimnis. Saddams Sturz war das Positive an diesem Krieg. Die Politik der Regierung Bush im im Begriff, das zu zerstören. hans.rauscher@derStandard.at (DER STANDARD, Printausgabe, 9.5.2003)