Frankfurt/Zürich/Paris/Rom (APA/dpa/AFP) - Die Vorstellungen der USA von der Gestaltung der Nachkriegsordnung im Irak und der Rolle der Vereinten Nationen sind Gegenstand zahlreicher internationaler Pressekommentare am Freitag.

"Frankfurter Rundschau":

"Die Sprache aus Washington ist eine Sache, aber die Botschaft an widerspenstige Europäer eine andere: 'Seid ihr nicht willig, so braucht die Weltmacht politische Gewalt!' Die Strategie der US-Politik ist die gleiche wie vor dem Irak-Krieg: man redet von Kooperation und droht mit Alleingang. (...) Selten waren völkerrechtliche Einwände und politische Argumente gegen die Politik der Vereinigten Staaten praktisch so irrelevant wie nach dem Irak-Krieg. War die Aufhebung des UN-Embargos nicht an ein Unbedenklichkeits-Attest der Waffeninspektoren gekoppelt? Forget it! Müssten die ersten Aufträge für den Wiederaufbau nicht international ausgeschrieben werden? Ach was, die Zeit drängt! Käme eine Erfüllung US-amerikanischer Wünsche durch die Kritiker der Weltmacht nicht der nachträglichen Legitimation des allein in ihrem Namen geführten Kriegs gleich? Wo leben diese Alt-Europäer eigentlich! Wer auf das Recht pocht, macht sich lächerlich. So ist die Lage nach Saddam."

"Neue Zürcher Zeitung":

"Da es Frankreich und Russland als Vetomächte bis jetzt ablehnen, einer amerikanischen Resolution zuzustimmen, solange die UNO-Waffeninspektoren nicht wieder in den Irak gelassen werden, könnten sie sich sehr schnell dem Vorwurf aussetzen, die Entwicklung des Irak zu blockieren. Der Imageverlust wäre für sie vermutlich groß. Den USA hingegen erwüchse daraus kein Nachteil. Sie können sich gegenüber Paris oder Moskau vorerst eine harte Haltung leisten. Mit Berlin hingegen scheinen die Amerikaner wieder in einen Dialog treten zu wollen. Dafür gibt es einige Hinweise. Neben Großbritannien ist Deutschland der wichtigste Partner in Europa, und auf die Länge ist es durch Polen, Tschechien oder Ungarn nicht zu ersetzen. Umgekehrt werden sich die Deutschen der Einsicht nicht verweigern können, dass ohne enge Beziehungen mit Amerika nichts geht, denn eine 'Achse' Paris-Berlin-Moskau ist zu wenig tragfähig."

"Il Messaggero" (Rom):

"Bush kehrt zur UNO zurück, als Sieger und als eigentlicher Gouverneur des Irak. Um vom Sicherheitsrat mit der formellen Aufhebung der gegen das Saddam-Regime verhängten Sanktionen die faktische Anerkennung der Nachkriegsordnung im Irak zu fordern. (...) Doch trotz der Versuche zur Versöhnung mit der Antikriegsfront - Frankreich, Deutschland und Russland - dürfte das vorgelegte Dokument kein leichte Zustimmung im UN-Glaspalast finden."

"La Repubblica" (Rom):

"In Sachen Nachkriegsordnung steht jetzt in den Vereinten Nationen eine wichtige Partie an. Die USA, Großbritannien und Spanien präsentieren offiziell ihren Resolutionsentwurf zur Aufhebung der nach der Invasion in Kuwait 1990 verhängten Sanktionen gegen das Saddam-Regime. (...) Das Weiße Haus ist sich sicher, dass sich im UN-Glaspalast in New York nicht dieselben Auseinandersetzungen abspielen werden, wie man sie vor dem Irak-Krieg erlebt hat. (...)"

"Liberation" (Paris):

"Es ist einfacher, in einem Land der Dritten Welt eine Diktatur zu stürzen, als dort eine freie und wohlhabende Gesellschaft aufzubauen. Einen Monat nach dem Sturz von Saddam Hussein müssen die USA dies jeden Tag aufs Neue feststellen. Es stimmt, dass das Land nicht in Bürger- oder Religionskriege versinkt. Es gibt dort weder humanitäre Katastrophen noch islamische Aufstände. Doch es gibt immer noch keine öffentliche Verwaltung oder nennenswerte Wirtschaftstätigkeit, und die Unsicherheit gehört genauso zum Alltag wie die Not. Um die Empörung der Welt gegen die bewaffnete Intervention zu beruhigen, ist eine internationale Zusammenarbeit beim Aufbau des neuen Irak unerlässlich."

"La Croix" (Paris):

"Irak? Frei, aber ausgeblutet. Von einem Tyrannen befreit, aber in den Klauen von innerer Unsicherheit, Schmuggel, Seuchen. Eine aufgelöste Diktatur, aber noch keine neue politische Macht, eine Gesellschaft, die in die Knie gegangen und gespalten ist. Immerhin kann man derzeit in Erinnerung rufen, ohne sich von den Siegern einschüchtern zu lassen - die glauben, ihre Siege würde Fragen zum Verstummen bringen -, dass der offizielle Grund für diesen Krieg ein Köder war: Die Massenvernichtungswaffen, mit denen der Irak angeblich den ganzen Planeten bedrohte, wo sind die denn?"

"Les Dernieres Nouvelles d'Alsace" (Straßburg):

"Eine neue Phase beginnt, in der Frankreich, Deutschland und Russland ganz selbstverständlich wieder Bedeutung haben werden. Die dritte Runde gewissermaßen. Die erste wurde von Frankreich gewonnen, das verhinderte, dass die internationale Diplomatie den von den USA gewollten Krieg billigte. Die zweite wurde von der Koalition der amerikanisch-britischen Streitkräfte gewonnen. Einen Monat nach dem Militärsieg tritt nun die Diplomatie wieder in den Vordergrund. Eine Gelegenheit, die man nicht verpassen darf, um zu vermeiden, dass eine dauerhafte transatlantische Krise noch mehr Sand in das empfindliche UNO-Getriebe streut."