(v.l.) Ronald Kuste als Max, Sandra Cervik als Annie, Alexandra Tichy in der Rolle der Charlotte und Peter Scholz als Henry

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Lilli Strauss/APA

Wien - Tom Stoppards dramatische Liebeselegie Das einzig Wahre, uraufgeführt 1982, ist in der Rückschau ein so wohl wie hohl tönendes, aber halt auch nur scheinliberales Beziehungsmanifest.

Die Schreibmaschinenbögen, auf denen der echte Autor (Stoppard), mittlerweile ein gefeierter Hollywood-Drehbuchschreiber auf der Höhe der Kommerzes, seine Angst vor dem Älter- und Verlassenwerden treuherzig niederlegt, knattern, übermannsgroß aufgespannt, wie Schiffssegel in einer lauen Brise:

Auf der Bühne des Josefstadt-Theaters (Rolf Langenfass) wird der Zusammenhang von Leben und Literatur von Anfang an verkehrt herum aufgespannt. Als ob sich die Stücke des leidlich witzigen Konversationsungeheuers im Stück (Peter Scholz als Dramatiker Henry) spiegelverkehrt zur Lebenswelt verhielten.

Von solchen harmlosen Verpuppungen zehrt die angelsächsische Industrie der wortreichen Sein- und Scheingefechte: Dergleichen nennt man "ein handwerklich gut gebautes Stück", und man freut sich über schicke Beistelltische, vor denen flotte Seitensprungpartner (Sandra Cervik) karottenknabbernd knien, wenn sie nicht gerade powackelnd die Mittelklasse der Kunstwerktätigen um den Verstand bringen.
Beverly Blankenships redliche Inszenierung entwickelt exakt die Dämonie einer gehobenen Kammerspiele-Aufführung. Zum einen wahren die Schauspieler einen minimalen Abstand zu ihren Figuren - Scholz erinnert in seiner massigen Redlichkeit mit anständigen 70er-Jahre-Koteletten an eine TV-Vorabendfigur. Charlotte (Alexandra Tichy), die er Annie (Cervik) wegen verlässt, verspritzt in ihrem lockendrehenden Brachialzynismus noch die angesäuerte Rachelust einer zähen Ehekriegspartnerin.

Das alles wird mit unsichtbarem Qualitätsgütesiegel sozusagen im Vollwaschgang gespielt. Jaja, Annie wird bei Henry bleiben, so sehr kann der gar nicht aus dem vorletzten Loch pfeifen. Die Guten! Sie haben einander redlich verdient, obwohl Annie ja mit ihrem Schauspielerkollegen Billy (pfiffig: Michael Dangl) kurzzeitig herumtut. Das alles wirkt so unendlich betulich wie ein versonnener Themenabend einer gehobenen Selbsthilfegruppe. Kann man gesehen haben - um es sogleich wieder zu vergessen. (Ronald Pohl/DER STANDARD; Printausgabe, 10.05.2003)