Der ehemalige Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) feiert in diesen Tagen seinen 100. Geburtstag. Faymann war der zwölfte Kanzler der Zweiten Republik. Er regierte zunächst in einer Koalition mit der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), die damals zweitstärkste Partei war. Nach einer umfassenden Wahlrechtsrefom 2012, die überraschenderweise vom damaligen ÖVP-Landeshauptmann von Niederösterreich, Erwin Pröll (Urgroßonkel von Altlandeshauptfrau Greti Pröll, Anm.), vorgeschlagen wurde, konnte er die Weichen für die bis heute andauernde Phase innenpolitischer Stabilität durch wechselnde SPÖ-/FPÖ-Alleinregierungen stellen.

Der oft als "Einnahme-Kanzler" titulierte Faymann trat schon in jungen Jahren der SPÖ bei und stieg durch seine stets das Gemeinsame betonende - eben "einnehmende" - Art rasch zu einer bestimmenden Größe der Sozialdemokratie auf. Die sieben dunklen Jahre Schüsselösterreichs verbrachte er im Exil in der Wiener Stadtregierung, wo er enge Bande zum beliebten Bürgermeister Michael Häupl knüpfen konnte. Nach dem Machtwechsel am Dr.-Heinz-Fischer-Platz (damals noch Ballhausplatz, Anm.) trat er 2007 in die Bundesregierung ein, zunächst als Minister. In konservativen Kreisen erwarb er sich schon in dieser frühen Phase den Ruf des konsensorientierten Kuschlers. Knapp zwei Jahre später wurde Faymann Kanzler, nachdem er einen Brief an die Kronen Zeitung geschrieben hatte.

Sozialpolitisch setzte er fortan Akzente, indem er das Land behutsam zu einer noch heute international vielbestaunten geschützten Werkstätte für Boulevardzeitungsherausgeber umbaute. Die von ihm vorangetriebene Aussöhnung der SPÖ mit der Kronen Zeitung ist ohnehin Legende. Auch außenpolitisch war er der aktivste SPÖ-Kanzler der letzten vier Jahrzehnte. Medienpolitisch gilt er als jener Bundeskanzler, der es schaffte, den ORF wieder stärker in die Regierungsverantwortung einzubinden.

Zu Ehren Faymanns, der sich nach wie vor bester Gesundheit erfreut und laut eigenen Aussagen immer noch kaum Arztbesuche benötigt, werden zahllose Veranstaltungen stattfinden. So erinnert etwa das Bezirksmuseum Liesing an seine außenpolitischen Erfolge. Im einstigen Redaktionsgebäude der Kronen Zeitung am Donaukanal (das heutige Hans-Dichand-Museum der Stadt Wien, Anm.) wird es außerdem laut einer Aussendung der Rathauskorrespondenz jenen Original-Leserbrief zu sehen geben, den Faymann verfasst und mit seiner sowie der Unterschrift seines Vorgängers* versehen an Dichand geschickt hatte.

Aus den Reihen des ehemaligen Koalitionspartners gratulierten die nö. Landtagspräsidentin Greti Pröll sowie die Urenkelin von Altbundespräsident Fritz Neugebauer, Besa B. Amta. Faymann hätte das Zeug gehabt, auch als großer Sozialreformer im Gedächtnis zu bleiben, es hätte ihm in den entscheidenden Augenblicken aber "das Sitzfleisch gefehlt", sagte Amta, Geschäftsführerin der oppositionellen ÖVP, zur Austria Media Agentur (AMA). (derStandard.at, Mai 2060)

* Alfred Gusenbauer