Bahnkunde Michael Theimer hat versucht, ein Ticket von Baden nach Wien-Praterstern zu kaufen, und musste feststellen, dass er 3,60 Euro mehr bezahlen muss, wenn er über das ÖBB-Webportal bestellt.

Screenshot: Michael Theimer

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Bei seiner Antrittspressekonferenz im September 2010 hat der neue ÖBB-Vorstandsvorsitzende Christian Kern über die "künftigen Ziele, Schritte und Veränderungen" gesprochen. Die Neuerungen beim Ticket- und Tarifsystem scheinen noch nicht vollständig ausgereift.

Foto: AP/Hans Punz

Die Umstellung beim Ticket- und Tarifsystem der ÖBB hat in den vergangenen Wochen für viel Diskussionsstoff gesorgt: Wie derStandard.at berichtete, wurde zuerst die Regelung für Rückfahrkarten heftig kritisiert, wodurch die Bundesbahnen schließlich zurückruderten und eine Amnestie für Jänner gewährten. Kurz darauf wurde klar, dass man für gewisse Fahrstrecken doppelt bezahlt, weil die Taste "ab Stadtgrenze" bei den Automaten in Wien entfernt wurde.

Gerade die Abschaffung des Buttons verärgert ÖBB-Kunden wie Michael Theimer. "Wer also ein Ticket ab Stadtgrenze lösen möchte, der soll halt erstens die Station schon im Kopf haben und zweitens einige Knöpfe zusätzlich drücken. Also zum Beispiel 'L-I-E-S-I-N-G'. Das dauert ungefähr 30 Sekunden mehr." Gerade zu Stoßzeiten würde das zusätzliches Gedränge an den Automaten und Zeitverlust bedeuten.

Button als Symbol

Mit dieser Beschwerde konfrontiert erklärt ÖBB-Sprecher Johannes Gfrerer: "Der Stadtgrenze-Button ist europaweit ein Unikat. Wie uns die öffentliche Diskussion darüber gezeigt hat, ist er den Wienerinnen und Wienern über die Jahre ans Herz gewachsen. Deshalb wird diese Maßnahme aktuell einer Evaluierung unterzogen."

Sind 1. Klasse-Kunden mehr wert?

Bahnkunde Theimer vermutet hinter der Aktion aber auch ein kleines Geschäft für die ÖBB: "Sie fühlen sich von jenen Kunden missbraucht und betrogen, die beispielsweise am Wiener Westbahnhof in den Zug steigen und mit der 1. Klasse nach Sankt Pölten fahren - und sich bisher ein 1. Klasse-Ticket ab Stadtgrenze gekauft haben." Nur gebe es in der Kernzone Wien des Verkehrsverbundes Ost-Region (VOR) keine 1. und somit auch keinen Aufpreis von der 2. auf die 1. Klasse. "Also entgehen der ÖBB Einnahmen, weil die Kunden ein 1. Klasse-Ticket ab Purkersdorf (das ist die Stadtgrenze) gekauft haben und genau genommen ab Wien West kaufen sollten", so Theimer. 

Keine Anleitung zum Missbrauch

ÖBB-Sprecher Gfrerer will diesen Hintertürchen-Effekt nicht bestätigen. Auf derStandard.at-Frage, wie man denn nun mit jenen Kunden verfahren wolle, die genau das machen, sagt Gfrerer: "Das wird von unseren Zugbegleitern kulant gehandhabt." Ob das auch für 1. Klasse-Monatskartenbesitzer, z.B. für St. Pölten-Wien, gelte? "Diese Monatskarten sind eher selten der Fall, es gilt aber das Gleiche: 1. Klasse-Kunde ist 1. Klasse-Kunde", betont Gfrerer.

Verwirrung bei Online-Tickets

Für Fahrgast Michael Theimer ist das Thema damit noch nicht erledigt, denn auch bei den Online-Tickets ortet er eigenartige Berechnungsmodelle (siehe Screenshot): "Für die Strecke von Baden nach Wien-Praterstern und eine Tageskarte für die VOR-Kernzone Wien muss ich 11,40 Euro bezahlen. Das sind 3,60 Euro mehr, als wenn ich ein Ticket bis Wien-Liesing und dann eine Tageskarte kaufe." Denn von Baden nach Wien-Liesing kostet ein Hin- und Rückfahrt-Ticket für Vorteilscard-Inhaber insgesamt 3,60 Euro.

"Diese Fälle muss man im Detail analysieren", entgegnet Bahnsprecher Gfrerer. Bis wann die Entknotung des Tarifsystems dauern würde, konnte Gfrerer allerdings noch nicht vorhersagen

"Rückzahlung" für 1. Klasse-Gäste

Fahrgast Michael Theimer wird dennoch weiterhin Bahnfahren, auch wenn er etwa gerade das Thema Stadtgrenze-Button recht zynisch kommentiert: "Variante 1: Schenk' der ÖBB Geld und kaufe dein Ticket von deinem Wiener Ausgangsbahnhof. Du weißt ja, es ist 'die Rückzahlung' für jene, die in der 1. Klasse sitzen und nur die 2. bezahlt haben. Variante 2: Falls dir der Stationsname an der Stadtgrenze nicht einfällt, frag' den Zugbegleiter oder die Zugbegleiterin des Zuges, mit dem du fahren wolltest und dann geh zurück zum Automaten und nimm den nächsten Zug in 15, 30 oder 60 Minuten! Variante 3: Steig' ohne Ticket direkt beim Zugbegleiter oder der Zugbegleiterin in den Zug und kauf dir bei ihm oder ihr ein Ticket für 60 Euro." (mob, derStandard.at, 21.1.2011)

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