Karl Tamussino ist Professor für Gynäkologie an der Med-Uni Graz.

Foto: Karl Tamussino

Wer an Blaasenentzündung leidet, hat meist seine eigene Theorie, was sie auslöst. Felicitas Witte im Gespräch mit dem Gynäkologen Karl Tamussino

Standard: Stimmt es, dass warme Unterhosen vor Blasenentzündungen schützen?

Tamussino: Beweisen konnte bislang niemand, dass kalte Füße oder ein kaltes Gesäß schneller dazu führen, dass Bakterien die Harnröhre hochsteigen und eine Blasenentzündung verursachen.

Standard: Angeblich soll auch Urinieren nach dem Sex helfen.

Tamussino: Auch das ist wissenschaftlich nicht erwiesen, genauso wenig, ob viel Trinken hilft oder die richtige Hygiene nach dem Stuhlgang mit "Abwischen von vorn nach hinten". Manchen Frauen können solche Verhaltensänderungen aber durchaus helfen. Das Problem ist, dass solche Maßnahmen nicht ausreichend untersucht sind. Bei einigen gibt es zwar Studien, die aber nicht gut genug sind, um daraus Empfehlungen ableiten können.

Standard: Gibt es Empfehlungen?

Tamussino: Zum einen Antibiotika, zum anderen pflanzliche Präparate, außerdem Östrogene bei Frauen nach den Wechseljahren. Es kommt immer auf das Alter einer Frau und auf die Rahmenbedingungen, in denen die Infekte auftreten, an. Wenn eine Frau zum Beispiel immer nach dem Sex eine Blasenentzündung bekommt, empfehlen wir eine Antibiotika-Tablette innerhalb von zwei Stunden danach. Eine Alternative wäre eine dauerhafte Antibiotika-Behandlung. Damit bekamen die Frauen in Studien seltener erneut eine Infektion als mit Placebo.

Standard: Ist ständiges Antibiotika-Einnehmen ein Weg?

Tamussino: Wir dosieren sie natürlich viel geringer als bei Harnwegsinfektionen. Es geht immer darum, die Vorteile und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Leider hält der schützende Effekt der Antibiotika nicht an: Wenn sie abgesetzt werden, kommen die Infektionen meist wieder.

Standard: Sind pflanzliche Mittel eine Alternative?

Tamussino: Ja, vor kurzem zeigten Studien, dass Kapseln oder Saft von Cranberries ebenfalls helfen kann. Die Wirkung beruht vermutlich auf den im Saft enthaltenen Tanninen. Sie verhindern, dass die Bakterien an der Wand der Harnwege haften bleiben und so die Entzündung aufrechterhalten. Auch hier zeigten Studien, dass Frauen damit seltener wieder erkrankten als mit Placebo. Wir wissen aber noch nicht, was die optimale Dosierung der Cranberries ist und wie lange die Frau sie am besten einnehmen sollte. Vergessen sollte man nicht, dass auch Cranberries Nebenwirkungen haben können, etwa Magen-Darm-Probleme oder Übelkeit. Für Preiselbeeren vermutet man eine ähnliche Wirkung, bislang gibt es aber noch nicht genügend Studien und damit keine Empfehlungen.

Standard: Gibt es noch andere natürliche Präparate?

Tamussino: Einige Frauen schwören auf Tee von Bärentraubenblättern - aber auch das ist nicht bewiesen. Ebenso wenig, ob Probiotika helfen, also etwa Laktobazillen als Joghurt eingenommen, oder das Ansäuern des Urins mit Methionin. Im Einzelfall könnten die Frauen aber davon schon profitieren.

Standard: Was raten die Experten Frauen nach den Wechseljahren?

Tamussino: Manche haben eine trockene Scheide oder Schmerzen beim Sex - das weist auf einen Östrogenmangel hin. Ihnen könnten Östrogene helfen, als Salbe, Vaginalring oder Vaginaltablette. Die Hormone fördern, dass sich mehr Laktobazillen ansammeln, die vor Infektionen schützen. Ob alt oder jung: Wer immer wieder Infektionen bekommt, berät sich am besten mit der Frauenärztin oder dem Frauenarzt. (Felicitas Witte, DER STANDARD Printausgabe, 24.1.2011)