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Wann hat man schon mal Gelegenheit, das TV-Programm mitzugestalten? Wenn am 25. Februar in einer ORF-Show der österreichische Beitrag für den Song Contest ermittelt wird, können Sie bestimmen, wer dabei antreten wird. 30 Kandidaten stehen auf der Website "Guten Morgen Düsseldorf" zur Auswahl, nur die zehn Meistgewählten werden dann auch im Fernsehen auftreten. Bis 31. Jänner haben Sie noch die Gelegenheit regulierend einzugreifen! Doyen Louie Austen, der in der Zwischenwertung weit abgeschlagen liegt, würden wir schmerzlich vermissen: Make Your Move zeigt im Refrain zwar leichte Auflösungserscheinungen, bleibt aber dem gewohnten Austen-Feeling von funkiger Disco mit einem Drink in der Hand treu - und wenn er erst Barry-White-Style in plattentektonische Frequenzen hinunterklettert ... oh lala!

Singer-Songwriting und Akustik-Sessions sind in der 30er-Auswahl gut vertreten, stets mit dem Risiko lebend, ob ein ruhiges Stück auch die geforderte Instant-Überzeugung generieren kann. Während Nadine Beiler dies abzumildern versucht, indem sie mit The Secret Is Love den prototypischen Song vorträgt, mit dem man einer DSDS-Jury seine Soulfulness demonstriert, setzt Eva K. Anderson (hier im Bild) auf Nachhaltigkeit: I Will Be Here ist eine wunderschöne Ballade, die aus dem Zusammenspiel von Gitarre, dezenten Streichern und einer glockenhellen Stimme lebt. No costumes, no show extravaganza, just song.

In Deichkinds Worten: Nicke mit dem Beat und beweg dein' Arsch. Die vielleicht eingängigste Nummer im Bewerb kommt von den oberösterreichischen Trackshittaz. Selbst wer mit "haaße Weiba" oder generell Mundart-Rap nichts am Hut hat, wird bei Oida Taunz! - inzwischen längst zum Hit geworden - automatisch in Bewegung kommen. Die unwiderstehliche Mischung aus Akkordeon und pochenden Beats hätte zudem noch landestypischen Charakter ... vor langer, langer Zeit war sowas beim Song Contest mal selbstverständlich.

Locker flockig legt es die Mary Broadcast Band mit ihrem Titel Who's Gonna Stop Me an. Dass sich die Band um Frontfrau Mary Lamaro dem Soul-Rock verschrieben hat, wird bei dem einem wippenden Happy-Sound verpflichteten Song nicht so schnell klar wie bei anderen Einspielungen der Formation, deren bisherige zwei Alben von Motown-Veteran Leroy Emmanuel produziert wurden. Im Chorus wird aber kurz zurückgeschaltet, Lamaro darf vor schillernden Gitarren-Licks ihre Crooner-Qualitäten unter Beweis stellen. Ohrwurmqualitäten hat Who's Gonna Stop Me jedenfalls, am Können der gestandenen Live-Musikerinnen und -Musiker ist ohnehin nicht zu zweifeln.
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Sternenlichter klingt nach einem Titel für einen Schlager, und so ganz kann der Refrain diesen Eindruck auch nicht verwischen. Rundherum bliept's und bloppt's und stampft's mit deutlichem Eurodisco-Einschlag. Das Duo Luttenberger*Klug war zunächst angeblich nicht sonderlich angetan von der Idee, sich für den Song Contest zu bewerben - dafür haben sie eine seiner Erfolgsformeln aber erstaunlich routiniert umgesetzt. Amadeus-Erfahrung im Preiseabräumen haben Michelle und Christina ja bereits, vielleicht setzt sich dies auf europäischer Ebene fort.

Nachdem Michael Gaissmaier schon im Casting des Promi-Fußballteams nicht reüssieren konnte - wollen wir's ihm da wirklich antun, dass er schon wieder in der Vorrunde rausfliegt? Seine Band Heinz aus Wien rangiert konstant an letzter Stelle der Zwischenwertungen, dabei feiert sie heuer nicht nur 15-jähriges Bühnenjubiläum, sondern mit dem Titel È Cosi gewissermaßen auch die Rückkehr Italiens in den Song Contest, das erstmals seit langem wieder teilnimmt. Der gemütliche Midtempo-Rock von È Cosi hat zugegebenermaßen auch eher Sommerhit-Qualität, sprich: Würde von erbarmungsloser Wiederholung leben. Aber ist er wirklich schlechter als das hach so lustige Rockabilly-Kabarett, das Stermann & Grissemann ins Rennen schicken?

Wie gesagt, an Singer-Songwritern besteht heuer kein Mangel. Der 19-jährige Julian Heidrich, bei weitem nicht der einzige Kandidat mit Casting-Show-Hintergrund, sticht hier durch eine Stimme mit hohem Wiedererkennungswert heraus. Zudem erzählt sein Song Australian Gate eine aus dem Leben gegriffene Geschichte und ist weder auf den Eurovisionsauftritt noch auf spontane Weltfriedenserzeugung zurechtgeschneidert. Scheint beinahe zu unauffällig daherzukommen, hat mit YouTube- und iTunes-Erfolgen aber bereits bewiesen, dass es wirkt.

Bereits das gitarrenlastige Intro mit bewährten Akkordfolgen sitzt, der darauf einsetzende, souverän lässige Gesang könnte von einem US-amerikanischen Roots-Rocker oder Singer/Songwriter stammen. Tut er aber nicht, sondern ist ein Erkennungsmerkmal des jungen, in Kärnten lebenden Jean Nolan. Raue Kanten gibt es in der glatt polierten Produktion von Crazy keine. Der soulige Gesang und vor allem der schwer aus dem Ohr zu bekommende Refrain, den man bereits zu kennen meint, sorgen aber dafür, dass sich der Song des Newcomers, der im Vorjahr sein Debütalbum Born Ready herausgebracht hat, leicht ins Gedächtnis gräbt.
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Den eigenen Auftritt zu thematisieren, wie es die Rock-Institution Alkbottle mit Wir san do ned zum Spaß tut, ist beim Song Contest eine oft und gern gewählte Taktik - wer hätte gedacht, dass Roman Gregory und Co ESC-Traditionalisten wären? Ebenso konstant wie Heinz am hinteren liegen Alkbottle am vorderen Ende des Zwischenklassements, das alleine ist schon eine bemerkenswerte Leistung. Die starke Seite von Wir san do ned zum Spaß sind die Gitarren, weniger der Refrain - sollten die Wiener trotzdem nach Düsseldorf fahren, werden paneuropäische Vergleiche mit Lordi dennoch nicht ausbleiben. Was Alkbottle vermutlich herzlich wurscht sein wird.

The songs you love to hate: Unvergesslich der TV-Moment am Ende der ersten "Bauer sucht Frau"-Staffel, als Moderatorin Katrin Lampe die Kandidaten plötzlich so vorwarnungslos ansang wie Robin Hood seine Marian in Mel Brooks' "Helden in Strumpfhosen". Seitdem hat sie die Sängerinnen-Persona Katie Lunette (rechts) entwickelt und versucht sich mit My Home beim Song Contest, fröhlichem Dancepop, für den sie das ursprüngliche 50er-Jahre-Lunette-Konzept über Bord geworfen hat. Es liegt ein Hauch von Plastik in der Luft - und der mutiert zum Hagel, wenn die 17-jährige Charlee mit Good To Be Bad loslegt: Ein sehr Song Contest-taugliches Hammerl, das nicht aus dem Ohr zu kriegen ist, ob man nun will oder nicht. - Was letztlich bei der österreichischen Vorausscheidung am 25. Februar zu hören sein wird: Sie haben es in der Hand! (glicka/Josefson)