In der Schweiz hat erstmals ein Gericht einen nachträglichen Eingriff in archivierte Zeitungsartikel angeordnet. Anlass ist die Klage eines hohen Beamten, der sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sah. Im Jahr 2008 hatten etliche Medien berichtet, dass der Kläger ins "Visier der Justiz" geraten sei. Über seine spätere Entlastung durch ein Gutachten wurde kaum berichtet. Daher ordnete das Gericht Luzern-Land an, dass die in der Schweizer Mediendatenbank (SMD) gespeicherten Artikel mit einem Vermerk auf das entlastende Gutachten und die Tatsache, dass kein Strafverfahren gegen ihn eröffnet wurde, versehen werden müssen.

Die SMD führt die Archive für die Schweizer Medienhäuser und enthält 13 Millionen Dokumente. Das Archiv wird von rund 7000 Journalisten in der täglichen Arbeit benutzt. SMD-Verwaltungsratspräsident Andre Maerz bezeichnete die gerichtliche Anordnung als "bizarr". "Dieser Mechanismus widerspricht dem System Archiv." Maerz wies darauf hin, dass die betreffenden Artikel zum Zeitpunkt ihres Erscheinens inhaltlich korrekt gewesen seien. Und es komme auch "niemand auf die Idee, Berichte über Sportanlässe nachträglich zu ändern, weil der Sieger später des Dopings überführt wurde".

Zeitungsvertreter wenig erfreut

Auch Medienhäuser reagierten kritisch. Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer sagte, die rückwirkende Korrektur eines bei der Publikation korrekten Artikels "schießt über das Ziel hinaus". Zimmer befürchtet, dass entsprechende Anträge zunehmen werden. Dagegen bezeichnete der frühere Presserats-Präsident Peter Studer das Luzerner Urteil als "sehr gut begründet". Er wies darauf hin, dass das Schweizer Datenschutzgesetz die Möglichkeit eines Vermerks in Datensammlungen vorsehe.

Der Rechtsanwalt des Klägers, Bruno Glaus, hält das Urteil für "wegweisend wichtig". Es trage zur Qualitätssicherung bei. Sein Mandant habe verhindern wollen, dass beim Rezyklieren des SMD-Archivs die nie aktualisierte Ursprungsmeldung wiederholt werde. Hätte er den klassischen Weg über eine Gegendarstellung gewählt, wären Klagen gegen sechs Radiostationen und 20 Printmedien erforderlich gewesen. Der Kläger wollte diesen Aufwand und die damit verbundene größere Medienpräsenz "nicht auf sich nehmen". (APA)