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Warten im Anhaltezentrum Lampedusa - Italien ist in Europa ein Hauptzielland afrikanischer Migranten.

Foto: Reuters/Antonio Denti

Wien - Egal, was in Tunesien noch passiert, Europa hat keinen großen Ansturm aus der Region zu erwarten. So zeigt es die Erfahrung - beziehungsweise der Bericht "Vor den Toren Europas? Das Potenzial der Migration aus Afrika" vom deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Die 2010 erschienene Studie legt dar, dass Konflikte im Allgemeinen zwar Fluchtbewegungen zur Folge haben, Afrikaner, die aufgrund von Unruhen und Kriegen aus ihrem Heimatland fliehen, aber zum Großteil in Nachbarländern Zuflucht suchen. Sie bleiben in der Region, in der Hoffnung auf eine baldige Rückkehr in ihre Heimat. Die meisten Migrationsbewegungen von Afrikanern vollziehen sich innerkontinental - an erster Stelle der Zielländer steht dabei Südafrika.

Im Allgemeinen steigt Afrikas Migrationspotenzial nach Europa laut BAMF an - zum Beispiel wegen des steigenden Bevölkerungsdrucks. Eine Frau bringt in Afrika durchschnittlich 4,6 Kinder zur Welt; in Österreich sind es 1,4. Bis 2050 dürfte sich die Bevölkerung auf dem Schwarzen Kontinent auf zwei Milliarden verdoppeln.

"Es herrscht die allgemeine physikalische Vorstellung: Was es an Zuwachs gibt, setzt sich automatisch in Wanderungsprozesse um", sagt der österreichische Integrationsexperten Heinz Fassmann. So einfach sei es aber nicht.

In Afrika kommt noch hinzu, dass Ausbildungs- und Arbeitsmarktchancen fehlen und mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen mit weniger als einem US-Dollar am Tag auskommen muss. Rund ein Viertel der Menschen ist unterernährt, mehr als ein Drittel hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Neben den politischen, demografischen und ökonomischen Faktoren bestimmen auch ökologische Umstände - Umweltkatastrophen, der Klimawandel - die Migrationsbestrebungen.

Wer seine Heimat verlässt, entscheidet das in Afrika in der Regel nicht alleine. Migration erfolgt basierend auf einer Gruppen- oder Familienentscheidung, so der BAMF-Bericht.

Das International Centre für Migration Policy Development (ICMPD) schätzte die Zahl der jährlich irregulär aus Afrika in die EU migrierenden Personen 2005 - die Faktenlage ist spärlich - auf rund 830. 000.

Der Einwanderungsdruck aus Afrika nach Europa wird laut BAMF-Bericht auch wegen des Afrikas Wirtschaftswachstum steigen - braucht es doch gewisse Ressourcen als Grundvoraussetzung für Mobilität. Das ICMPD errechnete eine Zahl von 9300 Euro als Preis, der einem Schmuggler pro Person im Schnitt für die Reise von Afrika nach Europa gezahlt werden dürfte.

Hauptziele in Europa sind vor allem die Länder Italien, Spanien und Frankreich. Aufgrund der Frontex-Operationen und der Grenzschutzmaßnahmen afrikanischer Staaten im Westen gewinnt auch die Migrationsroute über die Türkei und Griechenland an Bedeutung.

"Es gibt viele Filter, die Wanderungsprozesse steuern", sagt Fassmann. Ein ganz wesentlicher ist auch, ob das Zielland die Menschen aufnimmt. (Gudrun Springer/DER STANDARD, Printausgabe, 22./23.1.2011)