Standard: Wie war die Nacht, wie war der Super-G, wie wird die Abfahrt werden?

Kröll: Beschissen war's, sein Zeug am Zimmer, du weißt, dass es ihn schwer erwischt hat. Aber das ist nicht anders als für die anderen. Man muss einfach damit zurechtkommen. Die Nachricht in der Früh war positiv, das hat man gebraucht, um den Tag halbwegs normal angehen zu können, zurechtzukommen. Ich denke, dass ich es schaffen werde, es vor der Abfahrt auszublenden und richtig Gas zu geben. Jeder, der den Job macht, weiß, was passieren kann.

Standard: Ist Ihr Beruf daheim bei der Familie ein Thema?

Kröll: Sicher. Mein Leben besteht zu einem großen Teil aus Skifahren. Daheim haben sie eine große Freude damit, fahren auch selber gerne. Einige Kollegen reden daheim nicht übers Skifahren, ich rede gern darüber, es ist mein Job. Die Familie ist in Kitzbühel.

Standard: Die könnte Sie auch stürzen sehen. Denken Sie darüber nach, nehmen Sie weniger Risiko, seit Sie Vater sind?

Kröll: Ich denk jetzt nicht großartig darüber nach, was sein könnte, wenn ich mich schwer verletzte, wie er reagieren könnte. Der Kleine weiß, dass man stürzen kann, das hat er schon oft erlebt, er weiß auch, dass man sich wehtun kann. Er hat auch gesehen, wie ich in Bormio gestürzt bin. Wenn ich nicht mehr bereit bin, das Risiko einzugehen, brauch ich nicht an den Start gehen.

Standard: Hat die Abfahrt für Sie mehr Bedeutung als der Super-G?

Kröll: Die Abfahrt ist für mich das Größte. Ich bin mit Leib und Seele Abfahrer.

Standard: Also ist der Abfahrtssieg am Lauberhorn für Sie mehr wert als der Sieg im Super-G im Vorjahr in Kitzbühel.

Kröll: Emotionell war sicher der Sieg in Kitzbühel der größte. Weil er der erste war, weil ich gar nicht damit gerechnet habe. Das war ein Wahnsinn vor dieser Kulisse. Kitzbühel ist einfach etwas Spezielles. Ich denk gerne und oft daran zurück. Sportlich gesehen, ist Wengen der größte Erfolg meiner Laufbahn. Es war immer schon ein Traum von mir, einen von den Klassikern zu gewinnen. Aber es ist noch nicht lange her, vielleicht brauche ich noch Zeit, um das richtig einzuschätzen.

Standard: Sie haben vor jedem dieser Rennen Probleme gehabt. In Wengen zwickte in den Trainings das Knie, in Kitzbühel siegten Sie mit einer bandagierten Hand. Brauchen Sie das?

Kröll: Schaut wirklich ein bisserl komisch aus, dass es mich vorher aufpracken muss, damit ich gewinne. Damals vor Kitzbühel bin in Wengen gestürzt, ich habe mir drei Mittelhandwurzelknochen gebrochen. Heuer vor Wengen hat es mich in Bormio aufgehaut, beim Rennen war ich aber wieder fit. Ich hoffe nicht, dass ich das brauche. Bittschöngarschön.

Standard: Wissen Sie, wie viele Weltcuprennen Sie bisher schon gefahren sind?

Kröll: Grad heut hat es mir wer erzählt. 122 sollen es sein.

Standard: Drei davon haben Sie gewonnen. Kann Wengen die Initialzündung dazu sein, Ihren Siegesschnitt deutlich zu verbessern?

Kröll: Ich hoffe, dass ich umsetzen kann, was ich am Lauberhorn gelernt habe. Ich habe heuer schon auf allen Strecken gezeigt, dass ich schnell sein und überall um den Sieg mitfahren kann. Aber ich glaube, dass man das Siegen erst erlernen muss. Das geht nicht von allein, und wenn man es unbedingt mit aller Gewalt will, geht meistens etwas in die Hose. Man lernt von Rennen zu Rennen, von Erfolg zu Erfolg.

Standard: Gibt es einen Menschen in Ihrem Leben, der Ihnen zu diesem Thema etwas beibringen kann?

Kröll: Es gäbe vielleicht welche. Aber ich glaube, da muss man selber draufkommen. Jeder ist anders, geht mit dem Druck anders um. Also muss jeder selbst seinen Weg finden.

Standard: Sie sind offenbar der Meinung, dass Ihre große Zeit noch kommt.

Kröll: Ich denke schon. Vom Alter her ist das kein Problem. Es haben schon viele gezeigt, dass man mit dreißig plus große Erfolge feiern kann. Didier Defago ist drei Jahre älter als ich, hat im Vorjahr alle wichtigen Rennen gewonnen. Warum soll ich das nicht schaffen? (DER STANDARD Printausgabe, 22./23.1.2011)