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Der Lage am US-Arbeitsmarkt lässt sich mit Geldspritzen nicht verändern.

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Eine bessere Qualifizierung muss her, meint Ökonom Raghuram Rajan.

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Paris/Wien - Eigentlich ist alles in Butter. Die US-Konzerne verdienen gut, die Haushalte sparen wieder und haben dennoch ausreichend Geld zum Konsumieren. Die USA sind wieder auf der Wachstumsspur, nur: Der Arbeitsmarkt kommt nicht in die Gänge. Für den Ökonomen Raghuram Rajan ist das kein Wunder. Denn erstens war bereits bei den letzten Rezessionen eine verzögerte Erholung am Arbeitsmarkt zu beobachten, weil die Unternehmen sichergehen wollen, dass der Aufschwung hält. Und zweitens kehren die am Bau verlorenen Jobs nicht mehr zurück.

Der aus Indien stammende Finanzprofessor an der berühmt berüchtigten Universität von Chicago (Chicago Boys) verweist im Gespräch mit dem Standard am Rande eines Kongresses des französischen Kreditversicherers Coface darauf, dass jene Bundesstaaten mit den größten Job-Problemen kämpfen, deren Immobilienmarkt besonders aufgeblasen war (siehe Grafik oben). Neben Bauarbeitern verloren auch Installateure, Elektriker oder Makler ihre Jobs.

Bau statt High School

Wie stark der Sektor das Wachstum der USA davor beflügelt hat, illustriert der frühere Chefökonom des Währungsfonds anhand einer Zahl: Von 1997 bis 2006 ist der Bausektor um 50 Prozent gewachsen. "In Las Vegas sank die Zahl der High-School-Abschlüsse, weil junge Leute als Hilfskräfte am Bau gut verdienen konnten." Heute ist die Arbeitslosigkeit unqualifizierter Personen dreimal so hoch wie von Akademikern.

Das Platzen der Immobilienblase hat nicht nur die Arbeitslosenrate auf zehn Prozent schnellen lassen: Weitere sechs Prozent der Amerikaner sind laut Rajan unterbeschäftigt. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt derzeit bei 25 Prozent, die ethnischen Implikationen sind unübersehbar.

Dass sich an dieser Situation durch Geldspritzen der Fed oder durch Steuererleichterungen etwas ändert, bezweifelt der Volkswirt, der mit dem Buch Saving Capitalism from the Capitalists bekannt wurde und in seinem jüngsten Werk Fault Lines die These aufstellte, dass die steigende Ungleichheit in der US-Gesellschaft die Finanzkrise mitausgelöst habe. Washington habe nämlich mit dem Kreditboom versucht, das wachsende Heer der Unqualifizierten mit billigem Geld ruhigzustellen.

Massive Einkommens-Konzentration

Die Kluft zwischen Arm und Reich ist jedenfalls in den letzten Jahren massiv angestiegen: Ein Prozent der Amerikaner vereinten 2007 18,3 Prozent des US-Einkommens auf sich. Eine derartige Konzentration hat es seit 1929 nicht mehr gegeben. In beiden Jahren folgte eine Weltwirtschaftskrise auf dem Fuß.

Die zweifelhaften Segnungen der US-Geldpolitik und Steuersenkungen könnten sogar kontraproduktiv wirken, weil sie neue Probleme in Form von Inflation und Schulden schaffen, befindet Rajan. Stattdessen tritt er für eine aktive Arbeitsmarktpolitik ein: Umschulungen, Bildungsmaßnahmen und die Stärkung des sozialen Sicherheitsnetzes seien notwendig, um den Arbeitsmarkt nachhaltig ins Lot zu bringen. Allerdings gebe die wachsende Polarisierung der Politik wenig Anlass zur Hoffnung, räumt Rajan ein. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22./23.1.2011)