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Obama kuckt in die Röhre. Firmenbesuch bei General Electric in Schenetady im Bundesstaat New York. Barack Obama besichtigt eine Turbine, die nach Kuwait exportiert werden soll.

Foto: AP/Applewhite

Vor allem daran, so weiß er, hängen seine Wiederwahlchancen im Jahr 2012.

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Es mag eine Eintagsfliege sein, kamerawirksam inszeniertes Theater. Das Weiße Haus wird es dennoch freuen. Abweichend vom üblichen Procedere wollen sich Demokraten und Republikaner bunt gemischt und nicht nach Parteiblöcken getrennt ins Parlament setzen, wenn Barack Obama heute, Dienstag, die Lage der Nation skizziert. Nicht alle sind dazu bereit, aber doch so viele, dass der Präsident von einem Symbol sprechen kann. Vom Schulterschluss nach der Tragödie von Tucson.

Nicht, dass mit der "State of the Union Address" harmonische Zeiten anbrechen. Eher das Gegenteil. Die Konservativen, im Repräsentantenhaus jetzt in der Mehrheit, lauern nur auf die Gelegenheit, ihre Muskeln spielen zu lassen. Im März dürfte es zum Clinch kommen. Dann nämlich hat der Bund die kritische Marke von 14,3 Billionen Dollar erreicht, bis zu der er sich nach Gesetzeslage verschulden darf. Hebt der Kongress das Limit nicht an, können die USA ihre Schulden nicht mehr bedienen. Dass es tatsächlich so weit kommt, kann sich heute kaum einer vorstellen. Noch aber scheinen die Konservativen entschlossen, ihr Blatt auszureizen.

Damit ist es skizziert, das Drama der nächsten Wochen. Umso mehr dürfte Obama versuchen, Mittelwege zu finden, den pragmatischen Ton in der politischen Mitte. Der kühne Gestalter mit dem Jahrhundertprojekt der Gesundheitsreform, das war gestern. Heute gibt er den ausgleichenden Landesvater, den Chef von America Incorporated, versöhnt mit dem Business, das ihm eben noch Wirtschaftsfeindlichkeit unterstellte. "Ich will, dass wir wettbewerbsfähig sind" , betont Obama. "Die Zukunft gewinnen" , darum gehe es jetzt. Ob es 45-Milliarden-Dollar-Aufträge aus China sind oder ein überfälliges Freihandelsabkommen mit Südkorea: Alles, was der Präsident derzeit an Erfolgen verbuchen kann, ordnet er einem Ziel unter: "Jobs, Jobs, Jobs".

Geht die Arbeitslosigkeit, die sich bei über neun Prozent eingepegelt hat, bis 2012 nicht spürbar zurück, steht es schlecht um Obamas Wiederwahlchancen. So zumindest prophezeien es die Demoskopen, die sogleich einen Silberstreif zu vermelden haben. Die Beliebtheitswerte des Staatschefs sind nach der Talfahrt des Herbstes wieder auf mehr als 50 Prozent geklettert. "Hinter ihm liegen die besten sechs Wochen seiner Amtszeit", räumt sogar Matthew Dowd ein, ein konservativer Parteistratege. Im Dezember hat der Senat doch noch den neuen START-Abrüstungsvertrag mit Russland ratifiziert. Im Jänner überzeugte Obama mit souveränem Ton, als er in Tucson eine einfühlsame Trauerrede hielt. Und im Duell mit den erstarkten Konservativen sind seine Karten so schlecht nicht. Eine Opposition, die überall den Rotstift ansetzen will, kann schnell wie eine Sekte Eiferer wirken. Die Administration dagegen verspricht zu sparen, aber auch gezielt in Bildung und Infrastruktur zu investieren.

Als Meister des Wortes hat Obama eine Metapher dafür gefunden. Aufrüttelnd spricht er von einem zweiten "Sputnik-Moment". So wie damals, als die Sowjets einen Erdtrabanten ins All schossen und die USAnach erstem Schock alles daran setzten, wieder in Führung zu gehen. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 25.1.2011)