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Dienst auf der "Gorch Fock": Harter Drill und Aufentern unter Zwang.

Foto: REUTERS/Christian Charisius

Berlin - Eine ehemalige Rekrutin der "Gorch Fock" hat unhaltbare Zustände an Bord des Segelschulschiffs der Deutschen Marine beklagt. Drill, Einschüchterung und Schlafmangel hätten offenbar System gehabt, sagte die Offizieranwärterin Maria S. (Name von der Redaktion geändert) am Sonntag der Nachrichtenagentur dapd in Berlin. "Da wurde gebrüllt, da wurde gedrillt. Das war systematisches Schleifen wie in einem schlechten Film." In der Ausbildungszeit von S. auf dem Schulschiff war im November eine junge Kadettin durch einen Sturz aus der Takelage ums Leben gekommen.

"Wer nicht spurt, der fliegt"

Nach den Worten von S. sei selbst das Hinaufklettern auf die Masten letztlich erzwungen worden. "Wenn Aufentern befohlen ist, dann musst du in die Takelage. Alles andere ist Gehorsamsverweigerung", sagte die Soldatin. Überhaupt seien die Kadetten von den Vorgesetzten systematisch unter Druck gesetzt worden: "Der Druck war ständig da. Es ist vom ersten Tag an klar: Wer nicht spurt, der fliegt. Zuerst nach Hause, dann aus der Offizierausbildung."

Kritik äußerte die Offizieranwärterin auch am Dienstablauf und den Zuständen an Bord. Diese seien "vorsintflutlich". Die Rekruten müssten nicht nur in Hängematten schlafen und auf jegliche Privatsphäre verzichten. Reinigungsarbeiten hätten sie zum Teil mit Zahnbürsten erledigen müssen. Und in der "Hackordnung" an Bord seien die Kadetten das letzte Glied, sagte die junge Frau, die von "übertriebener Härte und Männlichkeitsgehabe" auf dem Schiff sprach.

Schlafmangel das größtes Problem

Schlafmangel sei für die Offizieranwärter "das größte Problem" auf den Ausbildungsfahrten. Der fehlende Schlaf könne auch in Verbindung mit den letzten tödlichen Unfällen an Bord stehen, mutmaßte sie. 2008 war eine junge Marinesoldatin bei ihrer Ausbildungsfahrt auf der "Gorch Fock" gestorben. Sie war während der Wache an Deck von Bord gestürzt und ertrunken.

Die Zustände auf dem Segelschulschiff seien vor allem für weibliche Offizieranwärter schwierig, erzählte S. weiter. Es habe während der Fahrt an sexuell "eindeutigen und übereindeutigen Angeboten wahrlich nicht gemangelt", erzählte sie. "Manche Frauen haben das auch als bedrängend empfunden." Die Bark werde deshalb in Marinekreisen als "größter schwimmender Puff Deutschlands" bezeichnet.

Untersuchungen auf der "Gorch Fock" beginnen am Donnerstag

Das Segelschulschiff "Gorch Fock" befindet sich zur Zeit in einem argentinischen Hafen, von wo aus die Bark inzwischen auf Anordnung von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) umgehend in die Heimat zurückbeordert wurde. Zuvor sollen die Vorfälle aber ab kommenden Donnerstag von einem vierköpfigen Bundeswehrteam untersucht werden. Begleitet wird die Kommission von zwei Mitarbeitern des Wehrbeauftragten, wie ein Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums am Sonntag in Berlin mitteilte. An Ort und Stelle werde dann entschieden, wann das Schiff nach Deutschland zurückkehre. Für die Rückfahrt werden vier Wochen veranschlagt.

Auf dem Schiff war es nach dem Tod einer Offiziersanwärterin im November zu einem schweren Zwischenfall gekommen, der mehreren Soldaten den Vorwurf der Meuterei einbrachte. Am Wochenende hatte Deutschlands Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg den Kommandanten des Schiffes von seinen Pflichten entbunden. Derzeit liegt die "Gorch Fock" vor dem argentinischen Hafen Ushuaia vor Anker. (APA/dapd)