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Schmidt-Wulffen: "Wenn man kritisches Potenzial schafft, kann es durchaus sein, dass es sich gegen einen selbst wendet."

Zur Person:
Stephan Schmidt-Wulffen (59) leitete u. a. den Kunstverein Hamburg. Seit 2002 ist er Rektor der Akademie.

AP Photo/Hans Punz

Hören auf: Andreas Spiegl (li.), Matthias Herrmann.

Fotos: Lisa Rastl

Mit Stephan Schmidt-Wulffen sprach Thomas Trenkler.

Standard: Am 28. Jänner endet die Bewerbungsfrist für das Rektorat. Sie verzichten auf eine Bewerbung?

Schmidt-Wulffen: Ja. Wenn die Akademie etwas liebt, dann Personaldiskussionen. Irgendwann entscheidet man sich, daran nicht mehr teilnehmen zu wollen. Ich bin neun Jahre im Amt - das ist eine lange Zeit.

Standard: Einer Vertragsverlängerung wären Sie aber noch vor einem Jahr nicht abgeneigt gewesen.

Schmidt-Wulffen: Ich bin daher auch zum Senat gegangen, um den Grad der Unterstützung zu prüfen. Das Ergebnis war gut, aber nicht ausreichend. Ich kann verstehen, dass Menschen trotz der gravierenden Probleme, die sich abzeichnen, den Mut haben zu sagen: Wir fangen wieder neu an.

Standard: Hätten sich zwei Drittel des Senats für eine Verlängerung ausgesprochen, wäre es zu keiner Neuausschreibung gekommen.

Schmidt-Wulffen: Vermutlich nicht, weil der Rat sich diesem Votum wohl hätte anschließen müssen. Unabhängig davon: Es gibt in der Akademie jene, die die Universität als Projekt sehen, und es gibt jene, die auf dem Erhalt der Tradition, dem Klassensystem, beharren. Und das ist auch ein Grund, warum ich aufhöre: Weil ich diesen Konflikt mittlerweile für unlösbar halte.

Standard: Sie haben neue Professuren geschaffen - und viele Lehrende berufen. Hätten diese Ihre Macht nicht stärken müssen?

Schmidt-Wulffen: Die Kraft der alten Struktur Kunstakademie ist so groß, dass etliche junge Professoren von dieser geschluckt werden. Außerdem: Wenn man ein kritisches Potenzial am Haus schafft, kann es durchaus sein, dass es sich gegen einen selbst wendet.

Standard: Man warf Ihnen mehrfach mangelnde Kommunikationsbereitschaft vor. Hatten Sie zu genaue Vorstellungen davon, wie die Akademie zu positionieren sei?

Schmidt-Wulffen: Der Rektor hat nichts allein ausgebrütet. Wir führten mit allen Institutsvertretern, die teilnehmen wollten, Diskussionen darüber, was eine Kunstuniversität heute sein soll. Und erst dann haben wir das Ergebnis umzusetzen versucht. Ansonsten hätten wir all das, was wir umgesetzt haben, nicht umsetzen können. Die Akademie ist heute in der Frage, inwieweit Kunst mit Denken, Theorie und Wissensbildung verbunden ist, führend. Viele deutsche Studierende kommen, weil sie dieses Angebot an Reflexion an ihren Universitäten nicht bekommen. Es gibt aber Personen im Haus, für die die künstlerische Individualität der einzige Maßstab ist. Diese lebhafte Diskussion hat Pro und Kontra geschaffen - und damit Polarisierung.

Standard: Sie vertraten die Meinung, dass die Studierenden auch Wissen benötigen. Man kritisierte, Sie würden Verschulung betreiben.

Schmidt-Wulffen: Ich habe immer die Vorstellung vertreten, dass ein Künstler ein Selbstverständnis seiner Praxis haben und über historische Kenntnisse verfügen muss. Und er muss eine Ahnung davon haben, welche Rolle diese Praxis in der Gesellschaft spielt. Dazu stehe ich. Aber es war sicher ein Fehler, sehr früh und sehr nachdrücklich auf das Bachelor-Master-System gesetzt zu haben. Das war ein Konfliktherd, der die spätere Arbeit schwer belastet hat.

Standard: Haben Sie daher auf den Bachelor verzichtet?

Schmidt-Wulffen: Ja. Den Bachelor haben wir derzeit nur in der Architektur. Über den Master gab es hingegen keinen Dissens: Er ist notwendig, damit wir uns international behaupten können. Jetzt muss man jedoch weiterdenken. Wir haben zwar mit dem PhD in Practice, einem Doktoratsstudium künstlerisch-wissenschaftlicher Forschung, ein attraktives Angebot im Bereich Theorie. Aber was machen wir mit den künstlerischen Disziplinen? Das Studium hört mit dem Diplom bzw. dem Master auf. Da braucht es weitergehende Förderprogramme! Auch die Frage der beruflichen Qualifizierung bedarf größerer Aufmerksamkeit. Diese Reklamation gibt es von allen, die die Akademie verlassen haben. Merkwürdigerweise aber wollen die Studierenden nur ungern mit der Arbeitswelt, die sie als Bedrohung empfinden, konfrontiert werden. Sie vertreten die Meinung, dass die Vermarktung nichts mit der Kunstausübung zu tun hätte. Tatsache ist aber, dass künstlerischer Erfolg auch im und vom Markt formuliert wird.

Standard: Andreas Spiegl, Ihr Stellvertreter, und Matthias Herrmann verlassen im Sommer die Akademie. Was hat das zur Folge?

Schmidt-Wulffen: Müsste ich in eine nächste Dienstperiode gehen: Ich würde den Verlust als gravierend empfinden. Denn die Herausforderungen sind sehr groß. Es steht zum Beispiel die Generalsanierung des Hauptgebäudes an. Es gibt bereits positive Signale des Ministeriums. Das ist ein auf vier, fünf Jahre angelegtes Projekt. Die Klassen werden umziehen müssen, da braucht es auch viel Diplomatie und qualifizierte Persönlichkeiten im Team. Zudem wird die Finanzierung wieder Thema.

Standard: Sie rechnen mit einem Budgetrückgang?

Schmidt-Wulffen: Ich hoffe nicht, aber man wird sich auf den Worst Case vorbereiten müssen - noch dazu im Rahmen eines landesweiten Hochschulplans. Die Geldknappheit wird das Ministerium durch Effizienzprogramme zu lösen versuchen. Es wird daher sicher wieder Diskussionen geben: Sind drei Architekturausbildungen, zwei kunstpädagogische Ausbildungen und zwei Restaurierungsschulen in Wien notwendig? Diese Probleme sind schon für jemanden, der den Laden gut kennt, eine extreme Herausforderung. Aber für jemanden, der im Oktober neu beginnt? Mit all dem nicht mehr konfrontiert zu sein: Das schafft auch Erleichterung.

Standard: Sie bleiben hier?

Schmidt-Wulffen: Ja. Ich wurde zum Rektor der New Design University in St. Pölten berufen. Sie ist vor sieben Jahren aus dem dortigen Wifi hervorgegangen und wird von der Wirtschaftskammer getragen. Noch ist diese Privatuniversität sehr klein, aber es gibt ein großes Entwicklungspotenzial. Es geht darum, Grafik, Mediendesign, Werbung, Innenarchitektur zu fördern, weil diese Bereiche der Kreativindustrie das größte Wachstum haben. Ich finde es hochinteressant, dass es im Design - wie auch in der Architektur - Entwicklungen gibt, wo es sehr stark um die Gestaltung gesellschaftlicher Prozesse geht. Es ist nicht nur so, dass wir die Objekte gestalten: Die Objekte gestalten auch die Gesellschaft.

Standard: Wann werden Sie dort beginnen?

Schmidt-Wulffen: Im frühen Sommer. Das Angebot war auch deshalb verlockend, weil ich Zeit haben werde für das, was mir in den letzten Jahren abgegangen ist. Ich kehre verstärkt in die Lehre zurück - und werde wieder mehr schreiben. (Thomas Trenkler, STANDARD-Printausgabe, 24.01.2010)