Es ist eine Meldung mit Seltenheitswert: SPÖ und ÖVP sind einig. Sie haben sich auf ein Bildungskonzept verständigt. Gratuliere. Die Freude über die Einigung verleitet beinahe dazu, das mehr als mangelhafte Ergebnis außer Acht zu lassen. Ab 2020 - der überfällige Reformbedarf schlägt sich eher nicht auf den zeitlichen Rahmen nieder - müssen alle 14-Jährigen eine Art kleine Matura ablegen. Diese "Mittlere Reife" soll sie dazu befähigen, weiter in die Schule zu gehen, vielleicht bis zur großen Matura.

Diese Lösung ist typisch für das Denken der ÖVP. Der von Funktionären oft bemühte Satz "Leistung muss sich lohnen" fährt nun direkt in das Schulsystem hinein. Alles muss gleichgebügelt, alles reglementiert werden: Statt einen tiefgreifenden Umbau des Bildungssystems anzugehen, baut die Koalition weitere bürokratische Hürden auf.

Wenn der Schüler bei einer Prüfung einen schlechten Tag erwischt oder in einem Fach schwächelt, das ihm nicht so liegt, mindern sich seine Chancen eher, als dass sich neue auftun. Das Bildungssystem krankt daran, dass es auf auswendig gelerntes Wissen aufbaut und soziale Fähigkeiten ignoriert. Dennoch werden weitere Prüfungen angesetzt.

Wenn die Regierung schon zusätzliche Barrieren einbauen will, soll sie bei den Lehrern beginnen: Diese widmen sich in den Hauptferien kaum der Weiterbildung, monierte schon vor Jahren der Rechnungshof. Wie wäre es hier mit einer längst überfälligen Reglementierung? (Saskia Jungnikl, DER STANDARD, Printausgabe, 24.1.2011)