Man kann Norbert Darabos unterstellen, dass er ein guter Mensch ist. Das macht noch keinen guten Politiker aus. Im Gegenteil. Einem Politiker, der sich grundsätzlich um Redlichkeit in seinem Handeln bemüht, merkt man umso deutlicher an, wenn er sich verbiegt, wenn er Entscheidungen vertreten muss, die nicht seine sind, wenn er das Fähnchen im Wind gibt, das er eigentlich nicht sein will.

Jetzt muss er das sein. Und er ist es in aller Öffentlichkeit. Nicht gerne.

Norbert Darabos gibt den Ritter von der traurigen Gestalt.

Als Verteidigungsminister tritt Darabos gerade dafür ein, die allgemeine Wehrpflicht abzuschaffen und stattdessen ein Berufsheer einzuführen. Vor einem halben Jahr war Darabos noch ganz anderer Ansicht, die Wehrpflicht war für ihn "in Stein gemeißelt", wie er damals befand. Seitdem ist einiges geschehen, was Darabos nicht beeinflussen konnte: Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl brauchte in der Schlussphase des Wahlkampfes noch ein Thema und fand es in der Wehrpflicht. Dass diese abzuschaffen sei, befand dann auch Kanzler Werner Faymann. Also musste Darabos einen Schwenk um 180 Grad vollziehen und tat es auch.

Mit der Eile, die ihm vorgegeben ist, wird er selbst nicht glücklich sein. Noch gibt es nicht einmal ein Sicherheitskonzept, geschweige denn, dass sich die Regierungsparteien darauf geeinigt hätten, wo sie überhaupt hinwollen, da wird bereits das Instrument dafür geformt. Aber der Bundeskanzler will das halt rasch haben, und darum macht es der Darabos, völlig überhastet und nicht bis in die Details durchdacht.

Experten und Betroffene beklagen den Pfusch, und mit seiner Drohung gegen Kritiker, vor personellen Konsequenzen nicht zurückzuschrecken, hat sich der Minister nun Rücktrittsforderungen eingehandelt, die an die Substanz gehen.

Als Politiker ist Darabos schwer beschädigt - und sein politisches Ausgedinge, als Landeshauptmann zurück in seine Heimat, das Burgenland, zu wechseln, ist in weite Ferne gerückt.

Dabei kann man Darabos eine Tugend nicht absprechen: Loyalität. Nur dankt ihm das keiner. Seine Loyalität ist so sprichwörtlich, dass sie von seinen Chefs als völlig selbstverständlich vorausgesetzt wird. Der damalige SPÖ-Chef machte Darabos nicht wie besprochen zum Innenminister, sondern tat ihm das Verteidigungsressort an. Darabos schluckte seinen Ärger runter und folgte. Gusenbauer machte sich darüber auch noch lustig.

Auch Darabos' aktueller Chef, Kanzler Faymann, höhnte ihn in aller Öffentlichkeit, als er in der Neujahrsansprache darüber räsonierte, was denn alles in Stein gemeißelt sei - und was eben nicht. Darabos nimmt solche Scherze auf seine Kosten widerspruchslos hin. Stärke versucht er dagegen gegenüber den "eigenen" Leuten zu zeigen, wenn er etwa den Offizieren mit Maßnahmen droht, sollten sie Kritik äußern. Das zeugt nicht unbedingt von Größe und Autorität.

Darabos sollte öfter widersprechen und seine Meinung sagen. Nicht seinen Untergebenen, sondern seinen Chefs, den Gusenbauers, Häupls und Faymanns oder wer sich sonst auf seine Kosten profiliert. Das würde ihm Respekt bringen, und wahrscheinlich täte er sich in der Früh beim Rasieren leichter, wenn er in den Dialog mit seinem Spiegelbild träte. Man würde ihm dann wieder leichter glauben wollen und seine Redlichkeit schätzen. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 24.1.2011)