Lina Ben Mhenni bloggt unter atunisiangirl.blogspot.com

Foto: Der Standard

Lina Ben Mhenni und ihre Bloggerfreunde haben maßgeblichen Anteil daran, dass das Regime fiel. Sie wurde politisiert, weil sie die Eingriffe der Regierung nicht mehr aushielt, sagte sie Reiner Wandler.

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Standard: War das eine erste digitale Revolution?

Ben Mhenni: Internet, die Blogs und vor allem die sozialen Netzwerke waren sehr wichtig für unsere Revolution. Da es keine Medien gab, die den Namen verdienten, verfolgten die Menschen die Ereignisse überall im Land im Internet.

Standard: War Ihr Blog von vornherein politisch angelegt?

Ben Mhenni: Nein. Am Anfang war es eher ein intimes Tagebuch, eine Möglichkeit, das, was ich sowieso schreibe, mit anderen Leuten zu teilen. Ich habe Eindrücke, Ideen, Gedichte veröffentlicht. Und hin und wieder auch mal einen kleinen Text zu sozialen Alltagsproblemen. Aber es war ganz bestimmt kein politischer Blog.

Standard: Und wie wurde dann daraus das, was er heute ist?

Ben Mhenni: Was mich letztendlich dazu gebracht hat, war die Zensur hier im Lande. 2008 wurde mein Blog in Tunesien gesperrt, obwohl er damals kaum politisch war. Ich begann gegen die Zensur anzuschreiben. Die erste große Kampagne, an der ich teilnahm, ging gegen die Zensur von Facebook hier in Tunesien. Ich war ein paar Monate in den USA. Ich habe mich fürchterlich darüber aufgeregt, dass meine Freunde in Tunesien keinen Zugang zu Facebook und damit zu meinen Einträgen dort hatten. Letztes Jahr haben wir dann versucht, eine Demonstration gegen die Zensur zu organisieren. Sie wurde verboten.

Standard: Hatten Sie auch im realen Leben Probleme mit der Polizei?

Ben Mhenni: Die Polizei hat angefangen, mir die ganze Zeit nachzustellen. Irgendwann ist dann jemand in mein Zimmer, das ich bei meinen Eltern bewohne, eingebrochen. Der Computer verschwand und die Kamera auch. (Reiner Wandler, STANDARD-Printausgabe, 24.01.2011)