Foto: Rasoulof

Am Freitag der vergangenen Woche wurde die Jury der 61. Berlinale vorgestellt, die am 10. Februar eröffnet werden. Der iranische Filmemacher Jafar Panahi, der offiziell eingeladen wurde, kann nicht teilnehmen, weil er kurz vor Weihnachten zu einer sechsjährigen Haftstrafe und zu zwanzig Jahren Berufsverbot in seinem Heimatland verurteilt wurde. Er ist das prominenteste Opfer einer zunehmend repressiven Politik gegenüber dem iranischen Filmschaffen. In den meisten Meldungen, die von diesem skandalösen Urteil berichten, wurde auch noch ein weiterer Filmemacher erwähnt, Mohammed Rasoulof, für den sich aber in den westlichen Medien kaum jemand im Detail zu interessieren schien.

Allenfalls wurde er an manchen Stellen als "Mitarbeiter" von Panahi bezeichnet. Dies bezieht sich auf Dreharbeiten, während derer Panahi und Rasoulof im März 2010 zum ersten Mal verhaftet wurden: "In dem Film sollte es um die jüngsten Ereignisse im Iran gehen", erklärte Panahi in einem Interview, "um die Präsidentschaftswahl und die anschließende Revolte. Ich wollte das Porträt einer Familie zeichnen, deren Sohn bei den Unruhen verhaftet wird. Diesen Film habe ich zusammen mit dem jungen Regisseur Mohammad Rasoulof gedreht."

Die Bezeichung "Mitarbeiter" gilt aber auch umgekehrt, denn Panahi besorgte bei Rasoulofs Spielfilm "The White Meadows", der im Vorjahr zum Beispiel auf Festivals in San Sebastian und in NewYork (Tribeca) zu sehen gewesen war, den Schnitt. In einem Festivalbericht des renommierten "Film Quarterly" heißt es zu diesem Film (ich übersetze auszugsweise): "'' The White Meadows' ist eine merkwürdige, absolut wunderbare Parabel über die Bedeutung von Traditionen im heutigen Iran. Rahmat (Hasan Pourshirazi), der auf einem winzigen Boot den Urmia-See befährt, sammelt Tränen. Manche dieser Szenen sind Allegorien, andere sind eigenständige mythologische Einheiten. Die politischen Bezüge sind nicht schwer auszumachen, aber Rasoulof ist sehr geschickt darin, das Ausmaß dieser Bezüge immer wieder zu variieren und offen zu halten.(...) Was Rahmat mit den Tränen schließlich macht, ist schockierend - eine Anklage des politischen Regimes im Iran und zugleich eine Geste bitterer Selbstkritik."

Rasoulof musste schon 2010, während dieser Film die Runde auf vielen westlichen Festivals machte, zum ersten Mal ins Gefängnis. Wie Panahi kam er zwischendurch wieder frei und wurde nun erneut festgenommen und verurteilt.

Sein bekanntester Film stammt aus dem Jahr 2005: "The Iron Island"  ist sogar auf DVD zu finden. Rasoulof erzählt darin eine ambivalente Exodusgeschichte: Sunnitische Iraner, die auf dem Wrack eines Öltankers im Persischen Golf leben, müssen feststellen, dass ihre Unterkunft langsam sinkt. Sie müssen schließlich an Land und in die Wüste, und die weitere Geschichte nimmt einen für Rasoulof typischen, allegorischen, mehrdeutigen Verlauf. Hier ein Ausschnitt: 

Gänzlich im Netz zu sehen ist schließlich sein bisher einziger Dokumentarfilm, der in deutscher Synchronisation den Titel "Im Reich der Schüssel" bekam. Hier gibt Rasoulof einen guten Einblick in die widersprüchliche mediale Situation im Iran, wo einerseits eine strenge Zensur herrscht, wo aber andererseits über Satellitenempfang ein vielfältiges Programm zugänglich ist, das noch entfernteste Regionen erreicht.

Mohammed Rasoulof ist demnach mehr als nur ein "Mitarbeiter" von Jafar Panahi. Er ist ein weiterer wichtiger iranischer Filmemacher, eine wichtige Figur auch als Produzent und ein Künstler, dessen Entwicklung im Augenblick unterbunden ist.