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Foto: Reuters/Heinz-Peter Bader

Nach drei Wochen ununterbrochener Kreisky-Festspiele will niemand mehr etwas über den Langzeit-Kanzler hören. Aber einen letzten ernüchternden Gedanken über die vielen Elogen und Kommentare zu Kreisky wäre noch anzubringen.

Alle Kommentatoren – ob rechts oder links, freundlich oder kritisch – tun so, als ob Kreisky Österreich durch seine Ideen und seine Durchsetzungskraft, die ihm die absolute Mehrheit ermöglicht hatte, in eine bestimmte Richtung gelenkt und verändert hat.

"Stellen Sie sich einmal vor, wie dieses Land ausschauen würde, wenn er nicht gekommen wäre", fragte etwa André Heller suggestiv in der Dokumentation von Helene Maimann.

Und die Liste von Kreiskys Reformen ist lang: Vom Ausbau des Sozialstaats über die Öffnung der Unis und Modernisierung des Familienrechts bis zur von vielen kritisierten Politik der Konjunkturankurbelung durch Staatsausgaben – „Deficit Spending“. Hat Kreisky all das nur Kraft seiner Persönlichkeit bewirkt?

Wenn ja, dann müsste sich Österreich in den siebziger und achtziger Jahren in eine andere Richtung als andere europäische Staaten entwickelt haben, die keinen Kreisky hatten.

Dies war allerdings nicht der Fall. Alles, was in Österreich geschah, geschah im übrigen Westeuropa fast genauso. Und selbst die USA gingen damals in die gleiche Richtung.

Auch anderswo wurde das Sozialsystem ausgebaut, die Universitäten für breite Bevölkerungsschichten geöffnet, Gesetze modernisiert und Frauenrechte gestärkt. Sozialistische Regierungen taten das genauso wie bürgerliche Kabinette in dieser Zeit.

Selbst Kreiskys berühmter Satz, dass ihm „ein paar Milliarden mehr Schulden weniger schlaflose Nächte bereiten als ein paar hunderttausend Arbeitslose“, hätte Mitte der siebziger Jahre praktisch jeder europäischer Regierungschef sagen können. Zumindest handelten sie alle so, nahmen höhere Defizite in Kauf, um die Vollbeschäftigung zu erhalten und neue Sozialleistungen zu finanzieren. Schuldenmachen war nicht Kreiskys Erfindung.

Und als dann Anfang der achtziger Jahre die Schulden überhand nahmen, würde überall auf die Bremse gestiegen. Das Mallorca-Paket von 1983 war auch Teil eines breiten europäischen Trends.

Kreiskys Politik war zu 99 Prozent Zeitgeist. Auch eine ÖVP-Regierung hätte in den siebziger Jahren die meisten seiner Reformen durchgeführt – etwas langsamer und vorsichtiger vielleicht, mit weniger Fanfaren, um das eigenen Klientel nicht zu vergrämen. Aber die Wahrheit ist: Österreich würde ohne Kreisky nicht viel anders ausschauen.

Bloß die Nahost-Politik war ein Kreiskysches Unikum, aber eines, das für Österreich und auch den Nahen Osten ohne jede Folgen blieb.

Was Kreisky einzigartig gemacht hat, war die Länge seiner Regierungszeit. Kein anderer Politiker in einer funktionierenden Demokratie hat 13 Jahre lang mit absoluter Mehrheit regiert. Diese Leistung, so fern sie eine ist, sagt einiges über Kreisky aus, aber noch mehr über das österreichische politische System der damaligen Zeit.

Und die Art und Weise, wie Österreich "seinen Kreisky" nun gefeiert hat, ist Ausdruck jener Mischung aus Minderwertigkeitskomplex und Selbstüberschätzung, welcher dieses Land so gerne verfällt.

Kreisky tat nichts Besonderes

Seine Reformen entsprachen dem Zeitgeist der in den siebziger Jahren Zeitgeist und wurden in ganz Westeuropa verfolgt

Nach drei Wochen ununterbrochener Kreisky-Festspiele will niemand mehr etwas über den Langzeit-Kanzler hören. Aber einen letzten ernüchternden Gedanken über die vielen Elogen und Kommentare zu Kreisky wäre noch anzubringen.

Alle Kommentatoren – ob rechts oder links, freundlich oder kritisch – tun so, als ob Kreisky Österreich durch seine Ideen und seine Durchsetzungskraft, die ihm die absolute Mehrheit ermöglicht hatte, in eine bestimmte Richtung gelenkt und verändert hat.

„Stellen Sie sich einmal vor, wie dieses Land ausschauen würde, wenn er nicht gekommen wäre“, fragte etwa André Heller suggestiv in der Dokumentation von Helene Maimann.

Und die Liste von Kreiskys Reformen ist lang: Vom Ausbau des Sozialstaats über die Öffnung der Unis und Modernisierung des Familienrechts bis zur von vielen kritisierten Politik der Konjunkturankurbelung durch Staatsausgaben – „Deficit Spending“. Hat Kreisky all das nur Kraft seiner Persönlichkeit bewirkt?

Wenn ja, dann müsste sich Österreich in den siebziger und achtziger Jahren in eine andere Richtung als andere europäische Staaten entwickelt haben, die keinen Kreisky hatten.

Dies war allerdings nicht der Fall. Alles, was in Österreich geschah, geschah im übrigen Westeuropa fast genauso. Und selbst die USA gingen damals in die gleiche Richtung.

Auch anderswo wurde das Sozialsystem ausgebaut, die Universitäten für breite Bevölkerungsschichten geöffnet, Gesetze modernisiert und Frauenrechte gestärkt. Sozialistische Regierungen taten das genauso wie bürgerliche Kabinette in dieser Zeit.

Selbst Kreiskys berühmter Satz, dass ihm „ein paar Milliarden mehr Schulden weniger schlaflose Nächte bereiten als ein paar hunderttausend Arbeitslose“, hätte Mitte der siebziger Jahre praktisch jeder europäischer Regierungschef sagen können. Zumindest handelten sie alle so, nahmen höhere Defizite in Kauf, um die Vollbeschäftigung zu erhalten und neue Sozialleistungen zu finanzieren. Schuldenmachen war nicht Kreiskys Erfindung.

Und als dann Anfang der achtziger Jahre die Schulden überhand nahmen, würde überall auf die Bremse gestiegen. Das Mallorca-Paket von 1983 war auch Teil eines breiten europäischen Trends.

Kreiskys Politik war zu 99 Prozent Zeitgeist. Auch eine ÖVP-Regierung hätte in den siebziger Jahren die meisten seiner Reformen durchgeführt – etwas langsamer und vorsichtiger vielleicht, mit weniger Fanfaren, um das eigenen Klientel nicht zu vergrämen. Aber die Wahrheit ist: Österreich würde ohne Kreisky nicht viel anders ausschauen.

Bloß die Nahost-Politik war ein Kreiskysches Unikum, aber eines, das für Österreich und auch den Nahen Osten ohne jede Folgen blieb.

Was Kreisky einzigartig gemacht hat, war die Länge seiner Regierungszeit. Kein anderer Politiker in einer funktionierenden Demokratie hat 13 Jahre lang mit absoluter Mehrheit regiert. Diese Leistung, so fern sie eine ist, sagt einiges über Kreisky aus, aber noch mehr über das österreichische politische System der damaligen Zeit.

Und die Art und Weise, wie Österreich „seinen Kreisky“ nun gefeiert hat, ist Ausdruck jener Mischung aus Minderwertigkeitskomplex und Größenwahn, der dieses Land so gerne verfällt.