Wien - In der von Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) ausgerufenen Diskussion über die Reform des Bundesheeres geht es mittlerweile drunter und drüber. Am Montagnachmittag musste Edmund Entacher, Chef des Generalstabes, zum Rapport. Das Vergehen des Generals: Er hatte sich im Profil neuerlich gegen den Fall der Wehrpflicht ausgesprochen. Der Minister drohte via Tiroler Tageszeitung mit personellen Konsequenzen. Das Fazit der Unterredung mit dem ranghöchsten Militär war zu Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht bekannt.

Dass Minister mit hohen Beamten mitunter arge Loyalitätsprobleme haben, ist nicht neu. In den Siebzigern wollte Verteidigungsminister Karl Lütgendorf einem Staatsdiener, der seine Sicherheitslinie nicht goutierte, untersagen, Vorträge darüber zu halten - doch der Mann klagte beim Verfassungsgerichtshof, bekam im Sinne der freien Meinungsäußerung Recht - und durfte weiter gegen Lütgendorfs Politik anreden.

In den Neunzigern wiederum machte dem damaligen Innenminister Caspar Einem (SPÖ) sein Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Michael Sika, das Leben schwer. Trotz ständiger Ränkeleien hielt sich der mächtige Beamte länger im Amt als der Minister. Als Sika abtrat, erklärte er empört, wieso sein Verhältnis zu Einem derart miserabel war: "Er wollte die Polizei zerschlagen!"

Der Verfassungsrechtler Heinz Mayer führt aus, was ein widerspenstiger Beamter lieber sein lässt - aber was er durchaus darf: "Er darf den Minister nicht anrennen lassen. Er darf ihn nicht in der Öffentlichkeit desavouieren. Aber er darf seine Meinung äußern."

Wortwörtlich hat Entacher gesagt: "Warum soll ich ein System einführen, das voller Risiken steckt? Kein vernünftiger Mensch würde das tun." Mayer dazu: "Hart an der Grenze. Der zweite Satz ist eine Wertung."

Doch nicht nur der Generalstab bereitet dem Minister Schwierigkeiten - sondern längst auch die Genossen. Nach SPÖ-Wehrsprecher Stefan Prähauser und dem Vorsitzenden der Heereskommission, Anton Gaal, spricht sich Verfassungssprecher Peter Wittmann gegen Darabos' Pläne aus: "Mit einem Freiwilligenheer bewaffnen wir den rechten Rand und die Hoffnungslosen in unserer Gesellschaft", sagte er zu den Niederösterreichischen Nachrichten.

Im Standard-Gespräch äußert Hannes Swoboda, Vize-Vorsitzender der Sozialdemokraten im EU-Parlament und Befürworter eines Berufsheeres, Skepsis über das Tempo, das Darabos bei der Reform vorlegt: "Nachdem man sich lange nichts überlegt hat, ist das jetzt sicher etwas schnell. Ich habe meine Zweifel, ob beides - die Umstellung des Heeres und eine Alternative zum Zivildienst - bis 2012 geregelt sind." Swoboda warnt vor dem Wegfall des Wehrersatzdienstes: "Wenn wir die Zivildiener nicht mehr haben, kann das in Einzelfällen zu akuter Unterversorgung führen." Zum Streit zwischen den Militärs und Darabos meint Swoboda: "Wichtig ist, einen Konsens zu finden, dass hier nicht eine unüberbrückbare Kluft entsteht. Besser, das Ganze dauert zwei, drei Monate länger."

Einflussreiche Sozialdemokraten sind hingegen bemüht, Darabos die Mauer zu machen. Klubchef Josef Cap: "Es ist völlig inakzeptabel, dass sich Offiziere und Beamte öffentlich gegen die Linie des Ministers äußern. Ich vermute, die wollen gar nicht über eine Reform diskutieren - das ist undemokratisch!" Auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl, der die Debatte über die Wehrpflicht losgetreten hat, zeigt kein Verständnis für Darabos' Kritiker. Parlamentspräsidentin Barbara Prammer nennt die Rücktrittsaufforderung der Offiziere "ein starkes Stück" - sie rät in der Debatte zum "schleunigsten Entkrampfen".(Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 25.1.2011)