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Der deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kommt wegen der Vorgänge auf dem deutschen Segelschulschiff Gorch Fock immer mehr unter Druck. Nun verlangen auch die Eltern der 18-jährigen Offiziersanwärterin Jenny Böken, die 2008 über Bord stürzte und in der Nordsee ertrank, neue Ermittlungen.

"Wenn er Transparenz will, muss dieser Fall noch einmal untersucht werden", sagt Vater Uwe Böken Richtung Guttenberg. Er habe Hinweise, dass seine Tochter auf dem Schiff sexuell belästigt worden sei: "Ich halte es durchaus für möglich, dass Jenny bedrängt wurde und bei einer Rangelei über Bord ging."

In Berlin übt die Opposition scharfe Kritik am Krisenmanagement von Minister Guttenberg. Dieser hatte am Wochenende recht überraschend den Kapitän der Gorch Fock, Norbert Schatz, abberufen - obwohl die von Guttenberg angekündigte Untersuchung bezüglich der Todesumstände einer 25-Jährigen, die im Herbst aus der Takelage gestürzt war, noch nicht begonnen hatte.

"Mittags wehrt sich der Verteidigungsminister noch gegen Vorverurteilungen, und abends, wenn sich die Presseberichte zuspitzen, suspendiert er den Kapitän der Gorch Fock. Das geht nicht. Bevor man jemanden verurteilt, ist er immer erst zu hören" , sagt SPD-Wehrexperte Rainer Arnold und kritisiert eine Verletzung der Fürsorgepflicht Guttenbergs. Tatsächlich hatte die Bild-Zeitung am Wochenende von einem äußert schlechten Klima auf dem Schulschiff berichtet.

Auf diese Vorfälle habe er den Verteidigungsausschuss des Bundestages bereits am 1. Dezember hingewiesen, erklärt Arnold. Andere Parlamentarier sagen, der anwesende Inspekteur der Marine (aus dem Verteidigungsministerium) sei darauf aber überhaupt nicht eingegangen, niemand sei auf die Idee gekommen, den Tod der jungen Kadettin näher zu untersuchen. Arnold sieht den Kapitän als "Bauernopfer" und klagt: "Wir fühlen uns als Parlament wirklich schlecht informiert."

Guttenberg, der laut Regierungssprecher Steffen Seibert die ausdrückliche Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel in dieser Angelegenheit hat, ist am Montag zum Gegenangriff übergegangen. Die Suspendierung des Kapitäns sei "sachgerecht und notwendig". Seinen Kritikern empfiehlt er, sich mit "den Grundzügen des Soldaten- und Beamtenrechts" vertraut zu machen.

Am Mittwoch wird Guttenberg im verteidigungspolitischen Ausschuss des Bundestags befragt. Dann muss er Fragen zum Fall des jungen deutschen Soldaten in Afghanistan beantworten, der möglicherweise durch den Schuss eines Kameraden um Leben kam. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 25.1.2011)