Europa hat schon einen eigenartigen Zugang zur Problemlösung, insbesondere wenn es um die Währungsunion geht. Das unsägliche Dementieren von Maßnahmen im Vorjahr ist ja noch in bester Erinnerung. Erst wurde die Vorbereitung von Griechenland-Hilfen zurückgewiesen, dann das Aufspannen des Euro-Rettungsschirms in Abrede gestellt, und schließlich wollte auch niemand etwas von einem Irland-Notkredit wissen. Das Schlimme daran ist, dass es nach einjähriger Krise offenbar keine Anzeichen von Einsicht, geschweige denn Besserung gibt.

Das zeigen die jüngsten Diskussionen. Das Euro-Auffangbecken hat gerade zehn Prozent seiner Mittel für Irland verplant, da tobt eine Debatte über die Ausweitung seiner Ressourcen und Instrumente. Diese hat kein Geringerer als Kommissionschef José Manuel Barroso angezettelt, der mit den Vorschlägen an die Öffentlichkeit preschte und prompt den Unmut einiger Finanzminister erregte. Brüssel wünscht sich nämlich, dass die starken Euro-Mitglieder - gemeint sind die sechs Staaten mit der Top-Bonitätsstufe AAA - doch ihr Obligo für angeschlagene Länder ausdehnen.

Auch die Ausweitung des Waffenarsenals des Rettungsfonds ist umstritten: Die Kommission schlägt vor, dass aus dem Topf auch kurzfristige Kredite vergeben und Anleihen von Staaten gekauft werden können. Der Charme an der Sache: Die in Luxemburg domizilierte Einrichtung könnte frühzeitig Beistand leisten und nicht erst dann, wenn die Zahlungsunfähigkeit bevorsteht. Doch Finanzexperten lesen bereits zwischen den Zeilen. Viele sehen in der Maßnahme die Vorbereitung für eine - natürlich ebenfalls dementierte - Umschuldung Griechenlands und womöglich weiterer Pleitestaaten.

Bis jetzt sind das alles nur Gerüchte, was die Sache freilich nicht erleichtert. Denn rund um die tiefer liegenden Maßnahmen zur Problemlösung ist es verdächtig ruhig geworden. Da wurde eine Taskforce zur Stabilisierung der Eurozone ins Leben gerufen, die schon per se keinerlei Initiativrechte hat (die sind der Kommission vorbehalten). Da bastelte die Brüsseler Kommission an einer Verschärfung der Fiskalpolitik inklusive der Korrektur volkswirtschaftlicher Ungleichgewichte, beides garniert mit strengen Sanktionen. Während einigen die Abgabe von Kompetenzen in der Haushaltspolitik schon zu weit geht, fordert Deutschland noch härtere Strafen bis hin zum Stimmrechtsentzug. Kurzum: Bei den Regeln zum Abbau der Schuldenberge, die auf dem Euro lasten, hat sich nicht allzu viel getan, sieht man von der früheren Vorlage der Budgets in Brüssel einmal ab.

Europa verspielt mit der Hau-ruck-Vorgangsweise viel Zeit und Kredit. Das Wachstum hinkt immer stärker hinter jenem anderer Regionen zurück, entsprechend fließen auch die wichtigen Investitionen an Europa vorbei. Dazu kommt die wirtschaftliche Spaltung des Kontinents, die auch die Steuerung der Währungsunion immer schwieriger gestaltet.

Das sollten ausreichend Alarmsignale sein, um die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen. Doch anstatt die Hausaufgaben zu machen, werden zeitlich und räumlich unabgestimmt lieber neue Versuchsballons gestartet. Offenbar wurde der Ernst der Lage überhaupt nicht erkannt. Es ist nicht der Euro, der die Märkte beunruhigt, sondern die ratlose Politik der Währungsunion. Diese Sorge erweist sich als völlig berechtigt. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.1.2011)