Wien - Rot ist tot? Denkste. Während in Berlin unerwartet eine Kommunismus-Debatte ihr munteres Haupt erhebt (es trägt die weizenblonde Wischmopp-Frisur der Linken-Chefin Gesine Lötzsch), wird in Wien Lenin frischgemacht. Von Martin Schwab. Denn der Burgschauspieler ist Der Präparator in der gleichnamigen Netzzeit-Produktion.

Alle ungeraden Jahre wieder veranstaltet die 1984 gegründete Theatergruppe ein Festival für neues Musiktheater. Out of Control Nummer fünf bot schon die Pieces of Movement for Orchestra mit den RSO Wien; im Februar folgen die Kammeroper Jacob's Room von Morton Subotnick und die Kinderoper Camilo Chamäleon.

Im Radiokulturhaus kann man noch dieses Wochenende den konvulsivischen Gedankengängen Doktor Alexander Mischins folgen. Der Präparator ist für die Erhaltung von Lenins Leichnam zuständig, hantiert mit Ampullen und schwadroniert.

Die mehr witzigen als klugen monologischen Textinhalte des "Kammerlustspiels" von Renzo Rosso machen an die hiesigen Kammerspiele denken - an die miefigen von früher, nicht die trendigen von jetzt. Die Musik Giorgio Battistellis kann da schon mehr: Tiefe Streicher, Blech, Klarinette und Fagott erschaffen eine bedrohliche Stimmung, aus der Klangblasen herausplatzen; fallweise formieren sich die sinnlichen Sounds auch zu Walzerklängen oder real existierenden Dur- und Mollakkorden.

Das Klangforum Wien unter Johannes Kalitzke erweckt sie akkurat-saftig zu klingendem Leben, Martin Schwab zieht dazu ein furioses 90-Minuten-Solo ab, um sich final in Väterchen Lenins Kiste zu legen. (Stefan Ender, DER STANDARD - Printausgabe, 25. Jänner 2011)